Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
bereit gelegt hatte. Er war flauschig, weiß und mindestens zwei Nummern zu groß. Doro wickelte sich darin ein und stieg die alte, gewundene Treppe hinunter. Das abgetretene, dunkle Holz unter ihren nackten Füßen fühlte sich angenehm warm an und knarrte leise unter ihren Schritten. Aus der Küche duftete es nach frisch gebackenen Brötchen und gebratenen Eiern. Die Wohlgerüche veranlassten ihren Magen zu einem hungrigen Knurren und entließen nach und nach auch ihre übrigen Lebensgeister aus ihrem Dornröschenschlaf. Der hämmernde Schmerz in ihren Schläfen, den sie nach dem Aufwachen gespürt hatte, war in ein dumpfes Ziehen im Nackenbereich übergegangen. Er war noch unangenehm, aber auszuhalten. Nur körperlich fühlte sie weiterhin eine tiefe Mattigkeit, die sie in dieser Form nicht kannte.
Alexander saß am Tisch und war in seine Zeitung vertieft. Zunächst schien er sie nicht zu bemerken. Erst in dem Moment, in dem sie sich ihm gegenüber auf die hölzerne Bank setzte, sah er zu ihr auf, faltete die Zeitung zusammen und legte sie zur Seite. Dann nahm er die randlose Brille ab. Er klappte die Bügel mit einem ertappten Lächeln ineinander und schob sie verlegen, so weit es ging, aus seiner Reichweite.
Schön, dass der Kerl wenigstens einen Makel besaß.
„Komm setz dich“, sagte er, während er dampfend heißen Kaffee in ihren Becher goss, „Hast du gut geschlafen?“
„Schon. Es ist nur…“, sagte sie unentschlossen, „Ich fühle mich, als hätte mich eine Dampfwalze gestreift.“ Doro legte ihre Fingerspitzen auf die immer noch schmerzempfindliche Stelle in ihrem Nacken und begann sie in sachten Kreisen zu massieren. „Ich glaube, ich hatte einen Grog zu viel.“ Sie sah ihn forschend an, um seine Reaktion zu beobachten. Gut, sie hatte zwei, vielleicht drei Becher Grog, über den ganzen Abend verteilt, getrunken und ein Glas Weißwein zum Essen. Das reichte aus, um sich anzuheitern, aber erklärte nicht ihren seltsamen körperlichen Zustand. Beim Aufwachen hatte sie es im ersten Moment für einen Kater gehalten. Aber sie wusste genau, wie sich der Morgen nach einer durchzechten Nacht anfühlte. Und das hier hatte nicht einmal im Ansatz Ähnlichkeit mit den Nachwirkungen eines Rausches. Das hier fühlte sich an, als hätte sich Etwas an ihr genährt. So unglaublich es sich auch anhörte, genau das war ihr augenblickliches Empfinden: Ausgezehrt .
Alexander hob unschlüssig die Schultern. Dann lächelte er und sagte: „Nach Spiegeleiern mit Speck und einer Tasse Kaffee geht´s dir bestimmt wieder besser.“
Doro nahm sich Ei und dazu ein Croissant aus dem geflochtenen Brotkorb, der in der Mitte des Tischs stand. „Ich habe so etwas noch nie erlebt“, sagte sie in sich gekehrt.
„Was? Einen Kater?“
„Doch, natürlich. Gibst du mir bitte das Salz und die Pfeffermühle?“
Alexander reichte ihr beides.
„Danke“, entgegnete sie beim Würzen. „Das ist mit Sicherheit kein Kater. Ich fühle mich nur unendlich müde und schlapp und kann mir einfach nicht erklären warum.“
„Du hattest in der letzten Zeit eine Menge Stress. Außerdem ist es Herbst. Draußen ist es windig und nasskalt“, Alexander grinste verschwörerisch, „Hast du schon mal darüber nachgedacht, ob du dir nicht eine ganz normale Erkältung eingefangen hast?“
Sie schmunzelte über die Einfachheit seiner Erklärung. Wenn sie objektiv in sich hinein horchte, hatte ihr gegenwärtiges Befinden tatsächlich etwas von einer anschleichenden Erkältung.
Kapitel 11 – Ehrliche Worte
Doro lenkte ihren Polo in die schmale Nebenstraße, in der Lille wohnte. Sie war mit Lille zu einem gemeinsamen Einkaufsbummel in Freudenstadt verabredet. Eigentlich wollten sie und Alexander das Wochenende miteinander verbringen, doch der war gestern überraschend zu einem Klienten nach London geflogen. Somit lagen zwei endlos lange Tage vor ihr, die es bestmöglich auszufüllen galt.
Lille wartete bereits unten vor der Haustür auf sie.
„Hey, Süße“, begrüßte Doro ihre Freundin, „Wir haben uns die letzten Tage kaum gesehen. Wie war dein Vorstellungsgespräch?“, fragte sie, noch bevor Lille auf dem Beifahrersitz saß und sich nach dem Verlauf ihres eigenen Interviews erkundigen konnte.
Lille lächelte überrascht, denn Doro war normalerweise nicht der Mensch, der ohne Zögern mit der Tür ins Haus fiel.
„Ich glaube, es ist ganz gut gelaufen“, gab sie zurück, während sie die Wagentür zuzog.
Der Polo
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