Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
lag.
„Gut, anfänglich war er mir nicht sonderlich sympathisch, aber vielleicht ist er gar nicht der üble Mensch, für den du ihn hältst.“
Alexanders Blick wanderte zum Flammenspiel des Feuers. „Du hast dich wirklich verändert. Aber du bist nicht stärker geworden, wie du vielleicht selbst glauben magst. Nein, du willst einfach nur Heyders wohlgefälliges Mädchen sein. Du willst, dass er dir das Gefühl gibt, gebraucht zu werden. Dass er dir über die Komplexe hinweghilft, die du mit dir herumschleppst. Doch das, was du zu sein hoffst, das bist du nicht.“ Er führte das Glas an seine Lippen und nahm einen weiteren tiefen Zug. Wahrscheinlich diente der dazu, seine offenkundige Enttäuschung über sie fortzuspülen. Es war stets aufs Neue erschreckend, wie tief er in ihre Seele schauen konnte. Manchmal fragte sie sich, ob sie überhaupt ein Wort mit ihm wechseln musste, damit er über ihr Gefühlsleben im Bild war. Die Antwort auf ihre Frage kannte sie bereits, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte.
„Mag sein, dass ich mir all das wünsche, was du eben aufgezählt hast. Na und? Ich denke, das ist nur menschlich“, entgegnete sie.
Alexander drehte seinen Kopf erneut in ihre Richtung. Ein in sich gekehrtes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Oh ja, Doro“, schien es zu sagen, „Eines bist du wirklich: Menschlich .“
„Das hätten wir geklärt. Hilfst du mir trotzdem?“, fragte sie tonlos.
Alexander lächelte zwar immer noch, doch sein Kopfschütteln deutete bereits seine ablehnende Antwort an. „Nein, Liebes. Heyder hat dich beauftragt, also ist es auch seine Aufgabe, dich über das Arcanum Daemonum aufzuklären.“
„Was ist so schlimm daran, wenn du mir dein Wissen über dieses verdammte Buch weitergibst?“ Doro erschrak, wie hilflos ihre Stimme plötzlich in ihren Ohren klang.
Alexander leerte sein Glas in einem Zug. Seine Augen bekamen einen glasigen Glanz. Ob vom Alkohol oder vor Müdigkeit oder von beidem entzog sich ihrer Kenntnis.
„Ich kann dir über das Arcanum Daemonum nichts Konkretes sagen, weil dieses Buch nicht existiert. Es gehört ins Reich der Sagen und Legenden. Kein Mensch hat es jemals in dem Händen gehalten. Wahrscheinlich hat sich das ganze Tamtam um dieses Beschwörungsbuch irgendein fadenscheiniger Geisterbeschwörer ausgedacht, in der Hoffnung dadurch reich zu werden. Heyder jagt einem Hirngespinst, einem literarischen Phantom, hinterher. Verstehst du?“
„Aber dasselbe hat er auch gesagt“, murmelte sie.
„Wer hat was gesagt?“
„Heyder. Er hat exakt die gleichen Worte benutzt: Literarisches Phantom .“
Alexander schenkte sich Wein nach. „Dann kapiert er es vielleicht langsam doch.“
Doro zog die Beine auf das Polster des Sessels und schlang die Arme um ihre Knie. „Nein. Er wertet deine Haltung als mangelnde Kooperationsbereitschaft.“
Alexander sog zischend Luft ein. „Wenn es nur den kleinsten Anhaltspunkt für die Existenz dieses Buches gäbe, glaubst du nicht, ich würde alle Hebel in Bewegung setzen, um es aufzuspüren?“
„Mit Sicherheit. Es sei denn, du weißt bereits, wo es sich befindet.“
„Wie bitte?“ Alexanders Augen verengten sich zu zornigen Schlitzen. „Heyder hat dich anscheinend schon ganz gut geimpft.“
„Nein. Es ist nur die Vehemenz, mit der du die Existenz dieses Buches abstreitest. Das macht mich stutzig.“
Alexander stand auf. Er ging an den Kamin, griff in den Weidenkorb und warf die letzten Holzscheite mit solch einer Wucht in die Glut, dass rotglühende Funken aufstiegen. Danach schnappte er den Korb und ging zur Tür.
„Wo willst du hin?“, fragte sie.
„Holz holen!“, schnaubte er. Sekunden später fiel die schwere Holztür ins Schloss.
Doro ging zum Fenster. Die dicken Flocken waren in feinen Schneegriesel übergegangen. Es musste in den vergangenen Stunden an die fünf Zentimeter geschneit haben. Über dem Kies war die Schneedecke geschlossen und selbst durch das geschlossene Fenster hörte sie das harschige Knirschen unter Alexanders Schritten. Gerade überquerte er den Hof in Richtung Schuppen. In wenigen Minuten würde er zurückkehren und wahrscheinlich war es das Beste, wenn sie dann die Mühle verlassen würde. Insgeheim musste sie Alexander Recht geben. Sie hatte sich von Heyders Besessenheit anstecken lassen und ihr war bewusst, dass sie ihn mit ihren Worten verletzt hatte. Doch bei objektiver Betrachtung hatte sich keiner von ihnen zurückgehalten, um den anderen zu
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