DÄMONENHASS
freien Stücken ein in Runenstatt.«
Nathan konnte nur gehorchen und fragte sich in einem verborgenen Winkel seines Geistes: Aber werde ich letztendlich ebenso leicht und ›aus eigenen freien Stücken‹ wieder gehen können? Als Maglores Hand sich wie eine Kralle um seine Schulter legte und ihn in die ewige Düsternis von Runenstatt geleitete, hegte er die Vermutung, dass dies wohl nicht der Fall sein würde ...
VIERTES KAPITEL
Drinnen herrschte eine emsige Geschäftigkeit. Aus der Tiefe dieses Ortes drangen gewaltige, seufzende Laute herauf; Nathan konnte nicht sagen, ob sie von einem Tier oder von einer riesigen Maschine stammten. Luftzüge, die einmal warm, dann wieder bitterkalt waren, wehten mal hierhin, mal dorthin, so als führten sie ein Eigenleben. Irgendwo schnaubte eine Bestie. Ein Keuchen und Grunzen und andere Laute eindeutig menschlichen Ursprungs erfüllten die Luft und zeugten davon, dass die Knechte sich ihren Aufgaben widmeten. Die eigenartige Akustik des Ortes machte es unmöglich, die Quelle der Geräusche festzustellen; sie erklangen von oben, von unten, aus allen Richtungen zugleich: unheimliche Gesprächsfetzen, das Klatschen von Sandalen auf ausgehöhlten Fliesen, das Klick-Klack von Steinmetzarbeiten oder das tief hallende, nervenzerfetzende Dröhnen einer zugeschlagenen Tür. Gelegentlich huschten gleichauf mit ihm Schatten durch die Flure, und Nathan spürte, dass nicht-menschliche, wilde Augen sich auf ihn richteten. Einmal ragte ein gewaltiger Offizier vor ihm auf und wich zurück, als er Maglore bemerkte.
Die gewaltige Runenstatt durchzog den von labyrinthischen Gängen durchsetzten Fels wie ein Fuchsbau einen Erdhügel. In ihrem Zentrum lag ein riesiger Saal, von dem die Räume von Maglores Dienern abzweigten, zu denen seine beiden Offiziere, seine Knechte und seine Frauen zählten. Die Unterkünfte des Vampir-Lords waren über eine Treppe erreichbar, die sich um eine zentrale Säule in die Höhe wand. Galerien überragten den Saal wie die Tribünen eines Amphitheaters. Am Fuß der Treppe war ein ... Wesen an die Felssäule gekettet. Nathan hatte noch nie etwas Abscheulicheres gesehen. Für gewöhnlich hielt es sich außer Sichtweite in einer kleinen Höhlung im Stamm der Säule hinter einem Schnurvorhang verborgen. Doch als Nathan, ein Fremder, sich dem Treppenaufgang näherte ...
... kam es jaulend hervorgestürmt. Es ragte acht Fuß hoch auf und glich – sehr einem Menschen! Doch widersinniger- und scheußlicherweise auch wieder ganz und gar nicht. Nicht mehr. Nathan bemerkte, wie er unwillkürlich zurückschrak, sich keinen Schritt weiterwagte und wie Maglore ihn unwiderstehlich vorwärts stieß. Dabei sagte der Wamphyri-Lord zu seiner Wachkreatur: »Dieser Mann gehört mir. Wer ihm schadet, der schadet auch mir und wird dafür zur Rechenschaft gezogen. Und jetzt fort mit dir, denn du bist hässlich.« Darauf ließ sich das schreckliche Ding auf alle viere nieder und kroch winselnd rücklings durch den Schnurvorhang zurück. Als sie vorübergingen und die Wendeltreppe erklommen, konnte Nathan hören, wie es dahinter keuchte und rumorte.
In Maglores Gemach waren Speisen bereitet. Nathan konnte kaum seinen Argwohn gegen die Stücke auf den verschiedenen Tabletts unterdrücken. Sie sahen eigentlich recht harmlos aus – dampfende Stücke aus Kaninchen und Rebhuhn, gebratenes Gemüse und Schalen mit frischem Obst –, aber andererseits ...
»Was denn?«, sagte Maglore, als er Nathans Miene von der anderen Seite des Tisches bemerkte, und schmunzelte grimmig, während er sich an Kaninchenkeule und Rotwein gütlich tat. »Hast du etwa rohes Fleisch erwartet, möglicherweise gar einen Szgany und vielleicht sogar noch am Leben? Nun, ich muss zugeben, dass in bestimmten Türmen und Stätten deine Erwartungen erfüllt würden – aber dies ist die Runenstatt. Einige meiner Knechte und Kreaturen haben gewisse ›Bedürfnisse‹, aber ich habe gelernt, meinen Appetit in den meisten Fällen im Zaum zu halten. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Nathan. Dein Essen wird dich weder anwidern noch dir schaden, auch werde ich nichts tun, was dich zum Übergeben reizen könnte; jedenfalls nicht hier. Wenn ich ... ursprünglicherer Nahrung bedarf, nehme ich sie in der Abgeschiedenheit zu mir. Und selbst dann bin ich kein unmäßiger Vielfraß. Hab also keine Angst. Im Unterschied zu den rauen, blutigen Sitten einiger Lords von Turgosheim wirst du meine Nahrung nicht schreien
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