DÄMONENHASS
gewinnt das Vertrauen des Seher-Lords. Aber ist er mein Nebenbuhler? Ich erheische Maglores Ei und ich werde es bekommen, komme was oder wer da wolle! Vielleicht ist in Runenstatt nicht genug Platz für uns beide – für Nathan Bleichblut und Karpath Sehersohn!
Nathan musste sich arg zusammennehmen, um nicht unter den zahlreichen bösartigen, blutigen und sehr endgültigen Bildern zusammenzuzucken, die da aus Karpaths Geist hervorbrachen. Er erkannte zudem, dass er sich seine Antwort gut überlegen musste. Karpath hatte sich in Erwartung seines Aufstiegs an Maglores Stelle nicht nur bereits einen Namen erwählt, sondern seinem mutmaßlichen Rivalen auch gleich einen gegeben!
»Ob ich wie er sein will? Wie Maglore? Wamphyri?« Nathans Erschauern war nur zur Hälfte vorgetäuscht. »Ich glaube, ich würde den Tod vorziehen!«
Und der würde dir ganz gewiss zuteil! , dachte Karpath. Aber ... vielleicht mache ich mir unnötige Sorgen. Das Blut dieses Nathan ist wahrlich blass und fad wie Wasser. Nach außen verharrte er in Schweigen.
Sie erreichten das unterste Stockwerk der Runenstatt. Darunter lag die Irrenstatt. Karpath zeigte Nathan die nasskalten, unbenutzten Stufen einer alten Treppe, die immer weiter hinabführte, wie Eygor Todesblick sie beschrieben hatte.
»Können wir dort hinabsteigen?«, wollte Nathan wissen.
Karpath warf ihm einen Blick zu. »Das können wir – aber wir werden es nicht. Seitdem Wran und Spiro geflohen sind, steht die Stätte leer. Dort haust nur noch ein Geist.«
»Ein Geist?« Nathan spielte den Unschuldigen, aber er wusste sehr wohl, wen Karpath meinte.
»Der Geist von Eygor Todesblick«, bestätigte dieser. »Der Seher-Lord vermutet, dass er ermordet wurde. Aber niemand kennt die Wahrheit bis auf – vielleicht – seine Mörder. Eygor war sehr mächtig, und er besaß den bösen Blick. Er vernichtete seine Feinde mit einem einzigen Lidschlag! Sein Geist ist stark und weht wie ein gewaltiger Schatten durch die Irrenstatt. Als Wratha und ihre Abtrünnigen aus Turgosheim flohen, wurden ihre Türme und Stätten geplündert und anderen überlassen. So mancher versuchte, sich in der Irrenstatt einzurichten, aber alle spürten Eygors Anwesenheit und konnten nicht bleiben. Jetzt hallt der leere Ort von Echos wider. Gelegentlich sucht Maglore ihn auf, aber stets allein.« Karpath zuckte die Achseln. »Vielleicht will er seine Besitzungen nach unten erweitern. Ich weiß es nicht ...«
Dann zeigte er Nathan die Vorratskammern ...
Im Getreidespeicher wurden Körner, Obst, Wein und andere Erzeugnisse der Sonnseite gelagert. In der Mühle und den Verarbeitungsräumen wurden die rohen Früchte zermahlen und auf verschiedene Weisen zubereitet, denn Maglores zahlreiche Geschöpfe hatten unterschiedliche Bedürfnisse. Dann gab es die Bäckerei und die Küchen und schließlich ... das Schlachthaus und das Fleischlager. Ersteres war im Augenblick nicht in Gebrauch. Nathan sah große Hackblöcke mit dunklen Flecken, Sägen, Beile und anderes Besteck, Eimer für das Blut und Tröge für die Eingeweide. Das war schon alles, aber es war genug.
Er hatte bereits die stinkenden Tierpferche an einer hohen Südwand von Runenstatt gesehen, wo bei Sonnauf Ziegen und Schweine auf eine falsche Ebene getrieben wurden, um sich hinter einer niedrigen Steinmauer auf dünner Erde bei kargem Gebüsch und grobem Gras einige kurze Stunden lang der sonnigen Freiheit zu erfreuen. Dort liefen einige Kaninchen herum, und die Tiere verbrachten dort ihre letzten Tage. Größeres Getier ließ sich hier schlecht züchten. In Turgosheim wurde es rasch krank und ließ sich nicht am Leben erhalten. Das war an sich kein großes Problem, denn die Bevorratung war ein steter Vorgang, und der Kreislauf von Runenstatt verlief rasch.
Karpath führte Nathan in ein Kühllager mit großen Fenstern, die sich gen Norden öffneten und durch die es bitterkalt zog. In dem Raum hingen Reihen eingepökelter, gesalzener Kadaver von Haken herab – aber nicht alle Kadaver stammten von Tieren. Plötzlich und ohne Vorwarnung erblickte Nathan zwei Hakenlasten, die nicht tierischen Ursprungs waren ...
Als er würgend und schwindelig aus dem Raum taumelte, merkte er, wie ihn jemand unter dem Arm stützte und ihn aufrecht hielt, bis sein Magen sich wieder beruhigt hatte. Schließlich ließ Karpath ihn los und sagte: »Das ist es, was Maglore dich sehen lassen wollte. Für einige ist es ein Ansporn, wenn sie sehen, was mit ihnen geschieht, sollten
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