DÄMONENHASS
sprach Karz Biteri, Historiker der Wamphyri und Knecht von Maglore von Runenstatt, bei seinem Herrn in einer seiner Werkstätten vor und berichtete ihm von den Ereignissen des Tages. Allerdings nicht in allen Einzelheiten.
Als Karz endete, sah Maglore von seiner Untersuchung aufgespannter, runenbekritzelter Häute (bei denen es sich hauptsächlich um gebleichte Troghäute handelte) und verschiedener Bruchstücke verzierter Knochen auf und sagte: »Fahre fort.« Mehr nicht. Er war ein Mann der Worte und wusste dennoch, wie man sie sparsam einsetzte. Und mit diesen beiden Worten deutete er an, dass er bereits wusste, dass es mehr zu erfahren gab.
Maglore war einhundertsechzig Jahre alt. Nach den Maßstäben der Wamphyri befand er sich im besten Mannesalter, aber er wirkte uralt. Er und gewisse andere Lords und Ladys – die hauptsächlich der sogenannten ›Hochkaste‹ der Wamphyri angehörten – waren moderne Schüler des Turgo Zolte und folgten so weit wie möglich Zoltes altüberlieferten asketischen Geboten.
Diese einfachen Grundsätze beruhten allesamt auf einem einzigen Ideal: den Vampirismus zu bekämpfen, und zwar im Leben und im Untod, einschließlich des höchsten Ausdrucks der vampirischen Ansteckung, nämlich des Wamphyri-Zustandes! All jenen Dingen zu entsagen – und sie damit auch dem Parasiten zu verweigern –, die dem Bösen Nahrung sind: dem Blut, der Fleischeslust, dem Argwohn und Hass gegenüber den Mitmenschen und dem Hochmut, der bekanntlich vor dem Fall kommt. Kurz – in allen Dingen das Gegenteil von Shaitan zu sein oder sich zumindest ihm und seiner Art als so entgegengesetzt zu erweisen, wie es eben ging. Turgo Zolte und seine Gefolgsleute waren in diesem Kampf von Anfang an zum Scheitern verurteilt, aber sie gaben dennoch nicht auf. Daher rührte auch Maglores verrunzeltes Aussehen. Denn er hatte erfahren müssen, wenngleich er es immer noch abstritt, dass das Blut sehr wohl das Leben war.
Ja, Maglore wirkte alt, aber Karz wusste, dass er nicht so aussehen musste. Wenn ihn, was selten vorkam, nach seinem Weib verlangte, erschien er bald wieder jung, und dem Historiker war klar, dass er dann wieder Menschenblut gekostet hatte.
»Fortfahren, Herr?« Karz zog ein verdutztes Gesicht und fragte sich, obwohl er es besser wusste, was Maglore gerade dachte.
»Meine Gedanken gehören allein mir!«, beschied ihm der Magier sogleich mit raspelnder Stimme. »Im Unterschied zu den deinen, die für mich wie ein Bild in einem Sichtstein vor mir liegen. Nur strenge ich mich ungern an und würde sie daher viel lieber aus deinem eigenen Mund hören – zum Beispiel jetzt sofort! Oder möchtest du, dass ich ein wenig tiefer in deinen Schädel schaue? Das lässt sich einrichten, allerdings könnte es dir etwas wehtun. Ich gestehe, dass der Gedanke verlockend ist: Wer weiß, welche Geheimnisse ich dort sonst noch entdecken würde, eh? Hör also auf, mir den Narren vorzuspielen, und berichte mir von Wratha: Was hat sie außerdem noch gesagt und getan?«
Karz hatte Maglore nicht verärgern wollen. Aus diesem Grund hatte er einiges von seiner Unterhaltung mit Wratha der Auferstandenen zurückgehalten. Den Teil zum Beispiel, der jene selbst ernannten Aristokraten von Turgosheim wie Maglore und seinesgleichen betraf, die als alte Männer erachtet wurden, gesetzt und eingefahren in ihrem Denken. Doch als der Magier ihn nun anspornte, fielen Wrathas Worte ihm wieder ein und traten an die Oberfläche seines Geistes: »Gehorche mir, Historiker ... und sprich nicht mehr über Kampfkreaturen, die in ihren Bottichen heulen. ... Das sind die Ängste uralter Männer, deren Gelehrsamkeit sie ihre Manneslüste einbüßen ließ ...«
Maglore las ihre Worte in Karz Biteris Bewusstsein und lächelte bitter. »Hah!«, grunzte er. »Weil wir uns kasteien – weil wir, nun ja, sagen wir es ruhig, gütig sind, statt grausam, Fragen stellen, statt Antworten zu erzwingen, ruhig sind, anstatt zu rasen –, hält sie uns für Tattergreise! Das ist nichts Neues. Aber ist das alles? Drohungen gegen dich und Beleidigungen für mich? Wenn dem so ist, schätzt du meine Empfindlichkeit viel zu hoch ein, Karz, denn Wratha hat schon ganz andere und schlimmere Dinge von sich gegeben! Also sprich, was hat diese sogenannte ›Lady‹ sonst noch gesagt und getan?«
Karz sah seinen Herrn an und war gleichermaßen fasziniert und abgestoßen von dem Mann, der einst ein Mensch gewesen war. Von seiner tief zerfurchten Haut, die altem,
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