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Dämonenherz

Dämonenherz

Titel: Dämonenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Talbot
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so spät?«
    Die gertenschlanke Frau trat einen Schritt vor und stand nun direkt neben Anna.
    »Die Zeit fliegt nur so, wenn man viel zu tun hat.«
    »Ja.« Anna beschloss, so einsilbig wie möglich zu bleiben. Lucy war sehr freundlich gewesen, als sie Anna mit ihrem Schreibtisch geholfen hatte. Aber sie erinnerte sich noch gut an deren Getuschel in der Kantine und den vielsagenden Blick, den sie mit Sam getauscht hatte.
    »Ein neuer Vertrag?« Lucy deutete auf die Mappe. »Sie wollen diese Akte bestimmt in Ihren Safe legen.«
    Anna drückte die Mappe noch fester an sich. Es war ihr gar nicht recht, von Lucy in flagranti erwischt zu werden, wie sie ein hochgeheimes Dokument aus dem Haus schmuggeln wollte.
    »Natürlich.«
    »Ich hoffe, Sie kommen mit der Kombination klar. Die ist nämlich nicht ganz einfach.«
    »Vielen Dank. Ich schaffe das schon.«
    Auf eine weitere Nachhilfestunde konnte Anna gut verzichten. Endlich kam der Aufzug. Die Türen öffneten sich, und ein gutes Dutzend Angestellte strömte heraus. Die Menge verkeilte sich etwas, weil ein kleiner Stau an der Schleuse entstand und dieWartenden sich in den Aufzug drängten. Anna schlüpfte als Letzte hinein. Zu ihrem Ärger musste sie direkt neben Lucy stehen, die gerade auf die Fünfunddreißig gedrückt hatte. Da niemand im Erdgeschoss ausstieg, beschloss Anna, wohl oder übel mit ihr nach oben zu fahren.
    »Wenn Sie möchten, helfe ich Ihnen gerne dabei.«
    »Nicht nötig.«
    »Haben Sie denn schon eine eigene Kombination bekommen?«
    »Selbstverständlich.«
    Lucy zog die schmalen Augenbrauen hoch. Man konnte ihr ansehen, was sie von Annas Antwort hielt.
    »Das ist aber sehr ungewöhnlich nach so kurzer Zeit.«
    Der Lift hielt in einem der unteren Stockwerke. Einige stiegen aus, andere kamen dazu. Anna wurde gegen die Wand gedrängt.
    »Ich finde es auch sehr ungewöhnlich, Sicherheitsfragen im Aufzug zu erörtern«, zischte sie Lucy leise zu.
    Lucys maskenhaftes Lächeln erstarrte noch ein bisschen mehr. Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Als sie den fünfunddreißigsten Stock erreichten, beeilte Anna sich, den Fahrstuhl vor Lucy zu verlassen – und lief direkt in Sams Arme.
    »Hoppla! So spät noch bei der Arbeit?«
    Verwirrt machte sie sich los. Auf den Gängen und in den Büros herrschte dasselbe emsige Treiben wie zur Mittagszeit.
    »Das könnte ich genauso gut Sie fragen.«
    Lucy tauchte hinter ihr auf und eilte mit schnellen Schritten davon. Anna war nicht entgangen, dass sie Sam wieder einen langen Blick zugeworfen hatte. Vielleicht lief da was zwischen den beiden.
    »Ja, es ist höllisch viel zu tun. Wie jedes Jahr Mitte Oktober. Jahresabschlüsse, Kalkulationen, Budgetplanungen …«
    Anstatt in den Aufzug zu steigen, was wohl ursprünglich seine Absicht gewesen war, folgte Sam ihr wieder durch den langen Flur.
    »Ist das nicht ein bisschen früh?«
    Samstrich sich wieder die Haare zurück. Es sollte lässig aussehen, wirkte aber ziemlich überheblich.
    »Nicht für uns. Wenn Sie ein bisschen länger bei uns wären, wüssten Sie über die Abläufe natürlich besser Bescheid.«
    Anna schwieg, bis sie an ihrer Tür angekommen war. Sam machte keinerlei Anstalten zu verschwinden.
    »Danke. Einen schönen Abend noch.«
    »Wenn ich Ihnen noch irgendwie behilflich sein kann?«
    »Nein … das heißt, gibt es ein Übersetzungsprogramm für akkadische Abugidas?«
    Sam runzelte die Stirn. Wie aus dem Nichts tauchte Lucy auf. Sie erinnerte Anna mehr und mehr an einen verschlagenen Kobold, der seine Ohren überall hatte.
    »Akkadische Abugidas? Nein, ein Programm gibt es dafür nicht.« Die IT-Expertin wandte sich an Sam. »Obwohl ich immer darauf gedrungen habe, die Software zu installieren. Sie stammt nämlich von mir«, erklärte sie und wandte sich wieder an Anna. »Ich habe alte Schriften als Nebenfach in Princeton belegt.«
    »Princeton, USA?«, fragte Anna.
    Für eine Sekunde sah Lucy überrumpelt aus. Sie hatte verraten, dass sie in den USA studiert hatte. Vielleicht hatte sie ja mit Sandrine gemeinsam die Vorlesungen besucht? Wohl kaum. Auf ihrem eigenen Territorium mussten sich Imperatoren nicht verstecken.
    Lucy hatte sich wieder in der Gewalt. Sie streckte die Hand aus. »Ich kann Ihnen das gerne übersetzen.«
    »Das schaffe ich schon allein.«
    »Ach, Sie haben auch studiert?«
    Anna antwortete nicht mehr auf diese Frechheit. Schnell öffnete sie ihre Tür und schlug sie den beiden vor der Nase zu. Sie warf die Mappe auf ihren

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