Dämonenherz
schmecken.
»Das ist mir alles zu viel des Guten hier. Kein Investor kümmert sich dermaßen um einen unliebsamen, störrischen Grundstücksbesitzer. Er baut seine Siedlung um dich herum, bringt den Garten in Ordnung und versorgt dich auch noch. Warum tut er das?«
Ihr Vater versuchte, ein Glas Schweizer Johannisbeermarmelade zu öffnen. Als es ihm nicht gelang, reichte er es resigniert an Anna weiter.
»Er kümmert sich eben um mich.«
»Das ist aber nicht seine Aufgabe.«
»Nein, das ist sie nicht. Aber es gefällt mir, dass sich überhaupt jemand um mich kümmert.«
Anna ließ den Blick über den vollbeladenen Frühstückstisch gleiten.
»Ich glaube, du verwechselst da was. Er kümmert sich nicht, er ordnet an. Er lässt erledigen. Er befiehlt. Er regelt das alles mit Geld, verstehst du? Das ist keine echte Zuneigung. Das ist Bestechung.«
Die Verwirrung im Gesicht ihres Vaters war so groß, dass sie ihreWorte augenblicklich bereute. Sie nahm seine Hand und drückte sie.
»Er mag dich«, sagte ihr Vater leise. »Das habe ich gespürt.«
Sie ließ seine Hand los und wechselte das Thema. Langsam wurde es zu viel mit dem ehrenwerten Herrn Weller. Offenbar bezauberte er die ganze Welt. Nur nicht Anna.
»Hast du ein Lateinwörterbuch?«
»Natürlich.«
»Könnte ich das bitte haben?«
»Aber du hattest doch nie Latein in der Schule.«
»Ich muss etwas übersetzen.«
»Dann kann ich dir vielleicht helfen?«
Anna fand die Idee großartig.
»Das wäre toll.«
Ihr Vater strahlte. »Gerne!«
Er stand auf und eilte hinaus. Anna nahm einen Teil ihres zerkrümelten Croissants und steckte es in den Mund. Ihr Vater wäre beschäftigt und danach hoffentlich für immer von seiner Weller-Verehrung geheilt. Sie zog die zerknitterten Papiere hervor und strich sie auf der Tischplatte glatt. Wenig später kam Friedrich Sternberg zurück. In der Hand hielt er ein dickes Buch. Er legte es auf seinem Stuhl ab, und beide räumten erst einmal den Tisch leer. Dann zeigte Anna ihm die Papiere, und Friedrich Sternberg setzte seine Lesebrille auf. Konzentriert las er sich die beiden Seiten durch.
»Da fehlen einige Buchstaben.«
»Das stimmt.« Anne zog ihren Stuhl neben seinen und setzte sich. »Ich hoffe, du kannst trotzdem etwas damit anfangen.«
»Bring mir Papier und Bleistift. Aus der Schublade im Telefonschränkchen.«
Anna sprang auf und brachte das Gewünschte. Ihr Vater saß tief über den Tisch gebeugt und bewegte stumm die Lippen. Dann nahm er den Bleistift und begann, sich Notizen zu machen. Eine Weile saß Anna daneben und versuchte, sie zu entziffern. Dann gab sie es auf. Ihr Vater schrieb in seiner typisch unleserli chen,winzigen Handschrift, die für Anna ungefähr genauso leicht zu lesen war wie Abugidas.
Sie ging in die Küche und begann, das Geschirr abzuwaschen. Mitten in der Arbeit überfiel sie eine bleierne Müdigkeit. Sie wünschte, sie könnte die bösen Worte zurücknehmen, die sie ihrem Vater an den Kopf geworfen hatte. Wellers einzige Möglichkeit, Gefühle zu zeigen, schien tatsächlich mit Geld zu tun zu haben. Er kümmerte sich um ihren Vater, während sie ihn sträflich vernachlässigt hatte.
Ich werde zu ihm ziehen, dachte sie. Die Wohnung in der Stadt kann ich mir sowieso nicht mehr leisten. Und mein Büro mit Vicky ist nur noch eine Farce. Es ist das Beste für uns alle. Zumindest, bis ich mir etwas Neues gesucht habe. Vielleicht gehen wir zusammen zur Tanzstunde. Ich, um endlich den Walzer zu lernen, und er, um vielleicht einer netten Frau zu begegnen. Niemand kann Mutter ersetzen. Aber das Leben kann doch nicht nur aus Verlust bestehen. Es muss doch auch mal was Neues kommen.
Es war still in der Siedlung. Die Arbeiten ruhten. Die Luft roch feucht nach Herbst, und die frisch umgegrabene Erde im Garten verströmte einen schweren Duft, der sie an ihre Kindheit erinnerte. Sie sah aus dem Fenster und spürte plötzlich, wie ein Gefühl von Frieden und Geborgenheit in sie strömte. Alles wird gut, dachte sie. Egal, als was sich Weller entpuppt, das hier wird er uns nicht mehr nehmen können.
Friedrich Sternberg brütete mehrere Stunden über den Papieren. Zwischendurch steckte Anna immer wieder mal den Kopf durch die Tür, wurde aber mit einer strengen Handbewegung wieder weggescheucht. Sie vertrieb sich die Zeit, indem sie ihre Reisetasche auspackte, Wäsche wusch und ein langes, ausgedehntes Bad nahm. Dann schlüpfte sie in einen der Pyjamas ihres Vaters und wartete.
Erst am frühen
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