Dämonenherz
fahrigen Bewegungen den obersten Hemdknopf. Es sah aus, als ob er nach Luft schnappen müsste. Anna kam zur Besinnung.
»Alles in Ordnung mit dir?«
»Ja, danke. Es geht schon wieder.«
Sie durfte ihrem Vater nicht so sehr zusetzen. Woher sollte er auch wissen, wie man mit dieser Dämonenbrut umging? Und sie hatte ihm auch noch die Tür geöffnet! Nicht auszudenken, wenn Weller jetzt versuchen sollte, über ihren Vater Druck auf sie auszuüben. Sie zwang sich, ruhig und langsam zu sprechen, um ihn nicht noch weiter zu beunruhigen.
»Er hat also die ganze Renovierung hier angeordnet, weil er dich so sympathisch findet.«
»Nicht mich, dich. Er wollte doch auch, dass du für ihn arbeitest. Er scheint ein guter Mensch zu sein. So angenehm, mit Manieren. Das ist so selten heutzutage.«
»Da klangen die Briefe aber anders, die er dir noch vor ein paar Wochen geschickt hat.«
»Die habe ich ja nie gelesen«, antwortete ihr Vater kleinlaut.
»Niemandmacht etwas umsonst. Schon gar nicht Carl Weller. Papa, die Welt ist nicht so, wie du sie dir hinbiegst. Er muss doch irgendwelche Absichten und Hintergedanken haben!«
»Du hast dich sehr verändert.«
Irritiert blickte Anna ihn an.
»Du bist eine andere geworden. Die Anna, die ich kannte, hätte sich gefreut. Sie hätte laut gejubelt, dass es noch Menschen gibt, die nicht den Profit an allererste Stelle setzen. Stattdessen unterstellst du jedem nur noch das Schlechteste. Was ist denn in dich gefahren?«
Weller, schoss es wie ein Blitz durch ihre Gedanken. Meine Güte, wie weit ist es mit mir eigentlich schon gekommen! Sie stand auf, trat ans Fenster und blickte in den Garten. Zwei Männer waren dabei, große Haufen Muttererde zu verteilen.
»Was wird das?«
»Ein Rosengarten.« Friedrich Sternberg stand auf und stellte sich neben sie.
Plötzlich merkte Anna, dass er kleiner war als sie. Tränen stiegen ihr in die Augen. Ihr ganzes Leben war ihr Vater der Mann gewesen, zu dem sie aufgeblickt hatte. Friedrich Sternberg hatte sie zu dem gemacht, was sie war: eine etwas naive Traumtänzerin, die an das Gute im Menschen geglaubt hatte. Nun merkte sie, dass er es war, der zu ihr aufblickte. Sie nahm sich vor, besser auf ihre Worte zu achten. Wenigstens einer in der Familie sollte den Glauben an ein Wunder nicht verlieren. Selbst wenn es in diesem Fall absurderweise den Namen von Carl Weller trug.
»Das ist aber eine nette Idee.«
»So soll auch die Siedlung heißen. Das Haus steht unter Denkmalschutz. Man kann es nicht einfach abreißen. Deine Mutter hat es von ihren Eltern geerbt. Es hat eine ganz besondere Architektur.«
Wieder sträubte sich alles in Anna, diese Worte unwidersprochen hinzunehmen. Was hatte Weller ihrem Vater bloß eingeredet? Der Kirschbaum hatte schon fast alle seine Blätter verlo ren.Sie konnte das Baumhaus erkennen und wunderte sich, wie zwei Menschen darauf Platz gefunden hatten.
»Das Haus soll so etwas wie das Herz der Siedlung werden. Die Menschen mögen es, wenn alte Sachen bleiben. Sie haben dann das Gefühl, die Dinge hätten Wert.«
»Nur weil sie alt sind?«
Ihr Vater seufzte und wandte sich von ihr ab. Mit müden Schritten verließ er die Küche, drehte sich aber noch einmal zu Anna um.
»Ich weiß nicht, was der Saal des Zodiak dir bedeutet. Aber das Haus deiner Eltern … es wäre schön, wenn es auch dein Haus bliebe.«
Er ließ Anna allein zurück.
Den ganzen Nachmittag über wuselten Arbeiter um das Haus herum. Lastwagen kamen und fuhren unter ohrenbetäubendem Lärm wieder ab. Anna lag auf ihrem Bett und starrte die Wände an. Vor ihr lag ein unendlich langes Wochenende. Und danach begann eine Arbeitswoche, in der sie ohne Arbeit war.
Sie verwünschte den Moment im Kurpark, in dem Weller ihren Weg gekreuzt hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt war ihr Leben in Ordnung gewesen. Langweilig, aber überschaubar und selbstbestimmt. Sie hatte eine wunderbare Freundin und eine eigene Firma. Sie hatte eine gescheiterte Ehe hinter sich und durfte sich in ihrem Alter noch berechtigte Hoffnungen machen, einen Mann zu finden, mit dem sich dieses Fiasko nicht noch einmal wiederholen würde. Welcher Teufel hatte sie bloß geritten, sich mit Weller einzulassen? Jetzt stellte er sogar noch ihren einzigen Rückzugsort auf den Kopf. Nichts würde mehr so sein, wie es einmal gewesen war. Ihr Leben und ihre Erinnerungen waren ein einziges Trümmerfeld.
Sie verzichtete darauf, zum Abendessen nach unten zu gehen. Stattdessen grübelte sie, wie
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