Dämonenherz
sie das neue Bild von Weller mit dem alten zusammenbringen konnte. Er hatte ihren Vater keinen Vertrag unterschreiben lassen und keine Gegenleistung verlangt. Das war nicht Weller. Es musste eine Falle sein.
Plötzlichsetzte sie sich kerzengerade auf. Natürlich gab es einen Vertrag! Nämlich den, den sie am Montag aus dem Keller holen und nach Palermo bringen sollte.
Das ist vertraulich. Du erfährst noch früh genug, worum es geht.
Die Worte hallten in ihrem Kopf. Eine eiskalte Hand legte sich auf ihr Herz. Sie musste wissen, worum es in diesem Vertrag ging. Wenn wieder ein zahnloser Greis die globale Stahlproduktion kontrollieren wollte, dann war es ihr egal. Wenn aber in diesem Vertrag irgendwo der Name Friedrich Sternberg auftauchte, würde sie Weller das Leben zur Hölle machen. Selbst wenn das der einzige Ort war, an dem er sich wie zu Hause fühlte.
Anna erwischte den letzten Bus zurück in die Stadt und stieg dort in die U-Bahn um. Sie erreichte die Taunusanlage kurz vor Mitternacht. Das Bürogebäude von Weller leuchtete. In fast jedem Fenster brannte Licht. Die gleiche Dame saß immer noch am Empfang und schien sich überhaupt nicht zu wundern, dass Anna um diese Uhrzeit noch einmal an ihren Arbeitsplatz zurückkehrte.
Anna hatte erwartet, ein schlafendes Haus anzutreffen. Doch bei Weller schien es keine Uhren zu geben. Angestellte wuselten durch die Halle, die Aufzüge waren vollbesetzt. Endlich hielt einer, mit dem Anna in den Keller fahren konnte. Auch hier bot sich ihr das gleiche Bild: emsiges Treiben, gedämpftes Stimmengemurmel und eilige Schritte auf dem spiegelnden Steinfußboden. Sie sah sich um, ob ein bekanntes Gesicht unter den vielen Menschen war, und atmete auf. Einige kamen ihr zwar bekannt vor, doch das mussten flüchtige Begegnungen auf den Fluren oder im Lift gewesen sein.
Dennoch klopfte ihr Herz schneller, als sie ihre Karte an der Sicherheitsschleuse durchzog. Sie versuchte, sich an jeden einzelnen Schritt zu erinnern, den Sam ihr gezeigt hatte. Erleichtert registrierte sie das grüne Licht, passierte das Drehkreuz und wandte sich nach links zum Tresorraum. Sie kam an den röh renartigenGängen vorbei und stand wenig später wieder in einer Schlange, die nur langsam vorwärts rückte, vor dem bekannten Tresen.
Immer wieder sah Anna über die Schulter. Was hätte sie Sam erklären sollen, warum sie mitten in der Nacht hier unten auftauchte? Sie beruhigte sich mit dem Gedanken, dass es ein viel größeres Rätsel war, warum all diese Leute noch auf den Beinen waren und arbeiteten. Und dabei auch noch tipptopp aussahen.
Anna hatte es nicht geschafft, sich umzuziehen. Eigentlich hätte sie auffallen müssen, doch niemand nahm Notiz von ihr. Als sie an der Reihe war, versuchte sie, so leise zu sprechen, dass niemand etwas mitbekam.
»Wie bitte?«, brüllte der ältere Herr hinter dem Tresen, dem Anna neulich schon begegnet war.
»Einen Vertrag für Herrn Weller. Ich bin seine Assistentin.«
»Vorwahl? Namen?«
Sie beugte sich vor. »Italien. Vertraulich.«
Der Mann zuckte mit den Schultern. »Da müssen Sie schon etwas konkreter werden. Wir haben hier mehr als viertausend laufende Vorgänge.«
Anna lächelte ihn entschuldigend an. »Ich sollte ihn erst am Montag abholen. Aber ich habe meine Reisepläne geändert.«
Der Mann streckte seine Hand aus. Erst dachte Anna, es wäre eine Art verspätete Begrüßung. Dann fiel ihr gerade noch rechtzeitig ihr Ausweis ein.
»Bitte sehr.«
Der Mann deutete auf die Kachel. Anna legte die Hand darauf.
»Einen Moment bitte.«
Der Mann verzog sich. Ein bisschen erinnerte Anna das an ihre Bankbesuche in früheren Jahren, wenn sie um einen höheren Dispokredit gebeten hatte. Sie wartete. In der Schlange hinter ihr breitete sich Unruhe aus. Es dauerte wohl etwas zu lange, und Anna verfluchte die Aufmerksamkeit, die sie erregte.
Endlichtauchte der Mann wieder auf. In der Hand trug er eine Dokumentenmappe. Anna atmete auf.
»Die Eindunddreißig«, sagte er und reichte ihr die Mappe und ihren Ausweis.
Anna nickte ihm dankbar zu und verließ den Keller eilig, aber nicht hastig. Niemand schien Notiz von ihr zu nehmen. Sie passierte das Drehkreuz, auch da gab es keine Probleme. Nur vor dem Aufzug stauten sich wieder die Menschen.
»Anna Sternberg?«
Sie fuhr herum. Hinter ihr stand Lucy. Das Lächeln der IT-Expertin war so warm wie ein Beutel Eiswürfel.
»Guten Abend«, antwortete Anna und wollte sich wieder umdrehen.
»Ach, es ist schon
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