Dämonenherz
von The Black Iris über ihrem Bett hängen. Kein Original, nur eine Kopie. Aber manchmal sind Kopien das Einzige, was wir im Leben erreichen können.
»Was ist los?«
Die Frage traf Anna unvermittelt. Sie hatte nicht abdriften wollen und wunderte sich, dass es ihr in Gegenwart dieses Mannes dennoch gelungen war. Sie wollte Weller mit einem lockeren Spruch abwimmeln, aber es fiel ihr nichts Geeignetes ein. Er saugte alles, was jemals an geistreichem Witz und funkelnder Ironie in ihr gewesen war, auf wie ein Schwamm. In seiner Gegenwart fühlte sie sich nur noch klein und unsicher. Genau die Gefühlskombination, die sie nach ihrem Erlebnis mit Sandrine nie wieder zulassen wollte.
Er umrundete den Schreibtisch und war in drei Schritten bei ihr. Anna wich zurück, als ob er ihr mit einer brennenden Fackel drohen würde.
»Was hast du?«
»Ich habe mich wahrscheinlich nicht klar genug ausgedrückt.« Fieberhaft überlegte sie, wie man einem Mann möglichst schnell und präzise beibrachte, dass man ihn nie wiedersehen wollte. Sie entschied sich für das, was sie am besten konnte: undiplomatisch sein.
»Ich betrachte unsere Beziehung für beendet.«
»Welche Beziehung?«, knurrte er. »Die berufliche oder die private?«
Anna hob die Augenbrauen und starrte ihn ratlos an.
»Dieberufliche«, fuhr Weller fort, »hat ja wohl noch gar nicht begonnen. Die private übrigens auch nicht, falls du darauf hinaus wolltest.«
»Falls ich auf eine private Beziehung hinaus wollte? Das wollte ich keineswegs! Du hast mich ja wie ein Neandertaler über die Schulter geworfen! Falls es in deinen Kopf hineingeht, Carl Weller: Nicht jede Frau, die dich sieht, ist dir mit Haut und Haaren verfallen.«
Schon beim Stichwort Neandertaler hatte er etwas anders reagiert, als Anna es sich vorgestellt hatte. Nach ihrer letzten Äußerung aber war es mit seiner Beherrschung vorbei. Er legte den Kopf in den Nacken und lachte.
»Nicht?«, fragte er, und der Humor, der in seinen Augen funkelte, vertrieb die Härte, mit der er sie bis zu diesem Moment gemustert hatte. »So war es aber ausgemacht.«
»Nicht mit mir!«
»Natürlich nicht!«, antwortete er, immer noch amüsiert. »Du baust ja Barrieren.«
Sein Lächeln verschwand so plötzlich, wie es aufgetaucht war. Er trat näher zu ihr, und einen Moment lang befürchtete Anna, er würde sie wieder berühren.
»Nein«, flüsterte sie.
Wieder hob er die Hände, als hätte sie ihn bedroht.
»Nichts geschieht, was du nicht auch willst«, flüsterte er.
Annas Empfindungen überschlugen sich. Zu ihrem grenzenlosen Erstaunen spürte sie, dass ihre größte Furcht nicht die war, von ihm berührt zu werden, sondern diese Berührung zuzulassen. Was geschähe, wenn sie jetzt einen Schritt auf ihn zumachen würde? Würde er sie wieder küssen? Würde alles wieder von vorne beginnen? Es war doch nur Sex für eine Nacht. Er sieht einfach zu gut aus. Das bringt mich durcheinander.
»Kaffee?«
Beide rissen die Köpfe herum und starrten zur Tür. Vicky hatte sie mit dieser Frage geöffnet und balancierte ein Edelstahltablett mit zwei dampfenden Pappbechern herein. Sie schien sich ge fasstzu haben, denn als sie das Tablett auf Annas Schreibtisch abstellte, schepperte es nur unwesentlich.
»Ja, gerne«, antwortete Weller. »Schwarz wie die Nacht.«
Vicky strahlte ihn an. »Süß wie die Liebe. Und heiß wie die Hölle.«
Spiegel, Vicky, Spiegel! Fiel ihr denn gar nicht auf, wie sie Weller anhimmelte?
Vicky ging zur Tür. »Ich z … ziehe mich wieder zurück. Zu viel Arbeit, ver … verstehen Sie?«
Mit einem schmachtenden Blick ließ sie sie wieder allein. Anna nahm sich den Becher, der ihr am nächsten stand, und verschanzte sich dahinter, als ob die paar Gramm Pappe ihr irgendeinen Schutz bieten könnten.
»Keine private Beziehung«, sagte sie mit fester Stimme.
Sollte er bloß nicht glauben, sie wäre wie alle anderen. Sie beobachtete ihn, wie er ein Zuckertütchen aufriss, die weißen Körnchen in seinen Kaffee rieseln ließ und mit einem Holzstäbchen umrührte. Er hatte schöne Hände. Schmal und kräftig, mit einer Fingerfertigkeit, die sie an den Rand des Wahnsinns gebracht hatte. Drei Sekunden war sie abgelenkt. In dieser Zeit hatte Weller ihren Terminplaner zu sich herumgedreht.
»Vierzehn Uhr dreißig, Gerichtsvollzieher?«
Sie schnappte den Kalender und klappte ihn zu.
»Das ist zum Beispiel privat«, zischte sie.
»Ach, er kommt zu dir nach Hause?«
»N … nein«, stotterte sie.
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