Dämonenherz
»Aber das geht dich nichts an.«
Er setzte sich mit einer derartigen Lässigkeit auf die Schreibtischkante, als würde das Möbelstück ihm gehören. Noch bevor sie ihn zurückhalten konnte, hatte er die Lampe angeschaltet. Sie funktionierte nicht. Mit einem leichten Nicken wies er auf den schwarzen Monitor ihres Computers.
»Strom?«
Anna nickte nur.
Weller setzte seinen Becher ab, ohne auch nur einen Schluck getrunken zu haben.
»Nachdemdas Private nun geklärt ist, wie wäre es mit dem Beruflichen?«
»Ich habe leider in dieser Woche keinen Termin mehr frei.«
»Doch. Vierzehn Uhr dreißig.«
Er streckte wieder seine Hand aus, und mit einer unnachahmlich eleganten Bewegung knipste er das Licht ihrer Lampe an. Anna setzte sich kerzengerade auf. Ein leises Surren unter ihrem Schreibtisch verriet, dass der Ventilator ihres PC wieder begonnen hatte zu arbeiten. Keine Sekunde später flackerte der Monitor, und das Foto ihrer Eltern, das sie als Bildschirmschoner benutzte, tauchte auf. Interessiert beugte er sich vor.
Es war eine Aufnahme aus ihrem letzten gemeinsamen Sommer. Ihre Mutter war schon von der Krankheit gezeichnet. Blass saß sie auf einem Gartenstuhl, eingehüllt in eine warme Decke. Ihr Vater saß neben ihr. Seine Gestalt war damals kräftig und aufrecht gewesen. Die weißen Haare trug er noch sorgfältig gestutzt, das runde, immer etwas zu liebevoll wirkende Gesicht hatte er seiner Frau zugewandt. Hinter den beiden stand Anna. Sie hatte die Arme ausgebreitet und jeweils eine Hand auf die Schultern ihrer Eltern gelegt. Sie lächelte in die Kamera, doch es war ein Lächeln, dessen Glanz erloschen war.
Anna schwieg. Was sollte sie zu diesem Foto noch erklären? Im Hintergrund konnte man den Kiesweg erkennen und das Weinlaub, das sich an der Fassade des kleinen Hauses emporrankte. Das Gras war lange nicht gemäht worden, Wiesenblumen blühten, auf dem Gartentisch stand ein Wasserkrug, daneben ein kleiner blauer Korb.
Die Aufnahme ließ nicht viel erkennen von diesem fast bäuerlichen Stillleben. Doch sie erinnerte Anna jedes Mal, wenn sie es ansah, an die Medikamente, die in dem Korb gelegen hatten.
Auch Weller sagte nichts. Er betrachtete das Bild, als ob er sich jede Einzelheit merken wollte, dann den Kieselstein, der neben dem Monitor lag. Schließlich stand er auf.
»Es geht ihr gut, dort, wo sie jetzt ist.«
Erstglaubte Anna, sie hätte sich verhört. Doch er hatte diesen Satz tatsächlich mit großer Anteilnahme gesprochen.
»Aber achten Sie auf Ihren Vater. Er scheint mir immer noch nicht darüber hinweg zu sein.«
Wortlos starrte sie ihn an. Er hatte die Tür zu Vickys Durchgangsbüro bereits geöffnet, so dass diese jedes seiner Worte, die er jetzt noch sprach, mithören konnte.
»Heute Nachmittag um vierzehn Uhr dreißig erwarte ich, dass Sie eine Pressemitteilung zur Übernahme von Sky News herausgeben. Alles Wissenswerte sende ich Ihnen per E-Mail zu. Ich bin mir sicher, Sie werden die richtigen Worte finden.«
Er nickte ihr noch einmal zu und ging.
Anna widerstand der Versuchung, den Kopf zu schütteln wie ein nasser Hund, der sich gerade ans Ufer gerettet hatte. Stattdessen griff sie wie eine Schlafwandlerin zu Maus und Tastatur und öffnete die Seite ihres E-Mail-Kontos . Die letzte Nachricht war vor genau vier Sekunden eingetroffen. Und sie kam von Carl Weller.
Bevor Weller in den Fond seiner Limousine stieg, sah er noch einmal die schmucklose Fassade empor bis in den dritten Stock. Es war ihm gelungen, sie zu beeindrucken. Dessen war er sich sicher. Das kleine Kunststück mit dem Strom war eine seiner leichtesten Übungen. Vergleichbar mit den Anfängertricks aus dem Kleinen Zauberkasten. Sämtliche Kontobewegungen hatte er geprüft und alles, was zu weit ins Minus ausschlug, geglättet. Sie war nicht reich, aber sie konnte ihre Kreditkarte wieder benutzen. Die leichte Verwirrung, die sich bei ihr einstellen würde, könnte er jederzeit mit einer guten Erklärung auflösen. Er hatte sie mit genau der richtigen Dosis seiner Macht bestäubt. Sie würde nicht niesen, sondern höchstens schnuppern.
Dann wollen wir doch mal sehen, was in dir steckt, Anna Sternberg.
Er wollte herausfinden, ob sie mehr konnte als Barrieren bauen. Sie hatte Potential, aber sie glaubte nicht daran.
Ernickte seinem Fahrer zu. Der drahtige, große Mann sprang aus dem Wagen und öffnete Weller die Tür. Nachdem sein Herr Platz genommen hatte, vergewisserte er sich mit einem schnellen Blick, dass
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