Dämonenherz
haben, dass es sein eigener Supermarkt war, der den Sternbergs zu Leibe rückte. Sie wusste nicht, was schlimmer war. Sich Weller als denjenigen vorzustellen, der mit Genuss die Abrissbirne gegen das Haus krachen ließ, oder Weller als den Lügner, der ihrem Vater in die Augen gesehen und ihn dabei so übel hintergangen hatte. Sie hieb mit der Faust in ihr Kopfkissen.
Ichhasse dich. Jedem einzelnen Wort folgte ein neuer Schlag. Ich hasse dich!
Am liebsten hätte sie ihm sofort den Job vor die Füße geworfen. Von ihr aus konnte er sein gesamtes Imperium samt Goldvorräten auf den Mond schießen. Sie schloss die Augen und spürte, wie die Tränen ihr über die Wangen liefen.
Nein, es war nicht das Schlimmste, gegen Weller eine Wette zu verlieren. Es war auch bei Weitem nicht so furchtbar, ihn um einen Job anzubetteln. Das alles konnte ihr Stolz verkraften. Was sie wirklich dazu brachte, ihn abgrundtief zu verabscheuen, war der Gedanke an ihren Vater. Friedrich Sternberg hatte Weller sympathisch gefunden. Das kam nicht oft vor in dieser Familie. Weller hatte das Herz des alten Mannes im Handumdrehen erobert. Sie konnte es jetzt nicht brechen, indem sie ihrem Vater reinen Wein einschenkte. Insgeheim war sie sogar froh, dass er die Briefe nicht geöffnet hatte. Wenn ihr die Enttäuschung schon so sehr zusetzte, was hätte sie dann mit ihrem Vater gemacht? Carl Weller, dachte sie. Ich werde mich rächen für das, was du den kleinen Leuten antust.
Als Erstes schwor sich Anna, ihr Spesenkonto in Wien bis zur Grenze auszureizen. Weller hatte das Hotel bezahlt? Dann würde sie dort alles auf die Rechnung setzen lassen, was nur machbar war. Sollte sie dort noch einmal den Boten spielen, dann würde sie sich den Vertrag ganz genau anschauen und seine negativen Kräfte auf sie einwirken lassen. Am besten zwei Tage damit einschließen, dachte sie schadenfroh. Der Phantasie, wie sie Weller seinen Verrat büßen lassen würde, schadete das bestimmt nicht. Eher würde das Gegenteil der Fall sein. Und dann …
Anna löschte das Licht und klopfte sich das Kissen zurecht. Sie räkelte sich wohlig unter der Decke und konnte ein boshaftes Lächeln nicht unterdrücken. Lieben streng verboten. Carl Weller hatte ihr diese Dienstanweisung gegeben. Erstens war nichts leichter als das. Liebe war ja wohl das Allerletzte, was sie mit diesem Mann verband. Zweitens würde sie ihm vorspielen, dass sie ihmunsterblich verfallen wäre. Mal sehen, wie sich das auf ihn auswirken würde.
Und drittens … an diesem Punkt der Aufzählung angelangt, erlosch ihr Lächeln. Drittens würde sie vermutlich gar nicht schauspielern müssen. Das war das Schlimmste: Sie hasste Weller. Doch da war noch etwas anderes. Oben auf dem Baumhaus hatte sie es gespürt, und in ihrem Traum ebenfalls. Weller war einer dieser Männer, die in Frauen die schlimmsten, aber auch die schönsten Gefühle auslösen konnten. Anna ahnte, dass in ihrem Herzen auf Dauer nur für eines von beidem Platz wäre.
16 .
W ien empfing Anna mit strahlend blauem Himmel und kleinen Schäfchenwolken, die wie hingetupft über der Donaumetropole schwebten. Der Weg vom Flughafen in die Stadt war nicht weit. Sie entschied sich gegen die Bahn und für ein Taxi. Dieses Wochenende noch, hatte sie sich geschworen. Keinen Tag länger würde sie für Weller arbeiten. Vielleicht ergab sich in Österreich eine Gelegenheit, es ihm heimzuzahlen.
Anna erinnerte sich, wie schweigsam sie beim Frühstück gewesen waren. Jedes Mal, wenn ihr Blick auf das schlohweiße Haar ihres Vaters und seine zerbrechlichen Hände gefallen war, war die Wut auf Weller wieder in ihr hochgestiegen. Friedrich Sternberg hatte nicht verdient, dass man ihn so hinters Licht führte. Der Gedanke, dass Weller mit an diesem Tisch gesessen und sich offenbar wie zu Hause gefühlt hatte, brachte sie immer noch in Rage.
Sie bezahlte das Taxi, stieg aus und sah sich um. Das Hotel Sacher lag unmittelbar neben der Fußgängerzone an der Kärntnerstraße, nicht weit vom Opernhaus, und war offenbar nicht nur bei Europäern beliebt. Die vielen Fotografien an den Wänden bewiesen, dass Prominente hier ein und aus gingen. John F. Kennedy, Indira Ghandi und Herbert von Karajan entdeckte Anne auf dem Weg zu der etwas versteckt liegenden Rezeption. Sie bedauerte, dass ihr Vater schon seit Jahren nicht mehr ver reiste.Vielleicht konnte sie ihm Wien eines Tages doch noch schmackhaft machen. Zumindest mit der Aussicht, auf demselben Terrassenplatz wie
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