Dämonenherz
quer durch den Raum spritzen zu lassen?
Sie konnte auch sehr gut die verschlossene Auster spielen. Vor allem, wenn es nichts gab, das sie hätte preisgeben können. Sie hoffte, dass ihr arroganter Gesichtsausdruck ihre Wissenslücken gekonnt überspielen würde.
»Dann tippe ich auf acht, richtig?« Sam stellte die Espressotasse direkt vor Annas Nase ab. »Alle Ihre Vorgängerinnen hatten die Acht.«
»Und Weller?«
»Weller hat die Eins.«
Natürlich, wie konnte es auch anders sein.
Anna beobachtete ihren Vater, der gerade mit einem imaginären Taktstock dirigierte. Weller war immer die Eins. Wieder spürte sie ihr Herz klopfen. Ich kann lieben, wen und wann und wie lange ich will, dachte sie. Warum also nicht auch ihn?
Im gleichen Moment schoss ein glühender Schmerz durch ihre Adern. Anna spürte, wie sie bis an die Haarwurzeln errötete. Liebte sie Weller? Auf gar keinen Fall. Er war das Beste, was ihr jemalsim Bett passiert war. Seit sie in sein Leben gestolpert war, war nichts mehr wie zuvor. Das grüne Leuchten in seinen Augen. Dieser magische, hypnotisierende Blick. Wenn er sie fragen würde, ob sie noch einmal mit ihm …
»Anna?«
Die Musik war verklungen. Ihr Vater stand vor ihr und musterte sie besorgt.
»Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Ja … ja, natürlich.«
»Dann noch mal von vorne.«
Ihre Proteste prallten wirkungslos an ihm ab. Die Walzerklänge verfolgten sie noch, als sie schon längst in ihrem Bett lag und dem Wind lauschte, der durch das Herbstlaub der Bäume vor ihrem Fenster strich.
Wo Weller jetzt wohl war? In welcher Stadt ging er allein – oder zu zweit – ins Bett? Ein Mann wie er blieb nicht lange Single. Überall auf der Welt gab es Frauen wie May Ling, die ihn für ehrenwert hielten, auch wenn er das allerhöchstens im Bett war. Widerwillig musste Anna zugeben, dass sie zumindest damit wohl recht hatte. In jener unvergessenen Nacht hatte er sie auf seinen starken Armen geradewegs ins Herz eines glühenden Vulkans getragen …
Erschrocken setzte sie sich auf. Wieder hatte sie eine Gedankenkette verfolgt, die ihr noch nie zuvor bei einem Mann in den Sinn gekommen war. Lava, Hitze, Glut … ihr Albtraum streifte sie noch einmal mit heißem Atem. Das Bild einer Dornenhecke stieg vor ihrem inneren Auge hoch. Sie sollte sie vor der Flut der Skorpione schützen. Was konnte das nur zu bedeuten haben? Vorsichtig schlug sie die Decke zurück und tastete sich die Treppe hinunter. Sie konnte jetzt sowieso nicht schlafen.
In der Küche goss sie sich ein Glas Wasser ein und leerte es, ohne auch nur ein Mal abzusetzen. Ihr Blick fiel hinaus in den Garten. Die Bäume verloren ihr Laub, das ungeordnete Gestrüpp sah noch trostloser aus, als sie es in Erinnerung hatte. Vielleicht sollte sie doch zu ihrem Vater ziehen? Platz wäre ge nug.Aber selbst wenn die Bauarbeiter einen Bogen um sie machen würden, sie würden doch inmitten von Zubringerstraßen und Lastverkehr leben.
Mit einem Seufzer stellte sie das Glas in die Spüle und ging hinaus in den Flur. Wahrscheinlich würde ihnen nichts anderes übrigbleiben, als dem Abriss zuzustimmen. Hoffentlich hatte der Investor ihrem Vater wenigstens ein anständiges Angebot gemacht.
Sie griff sich einen der Briefstapel und nahm ihn mit hoch in ihr Zimmer. Nachdem sie es sich auf ihrem Bett bequem gemacht hatte, öffnete sie einen Umschlag nach dem anderen. Die Lage war noch schlimmer, als sie befürchtet hatte. Neben einer Vielzahl unbezahlter Rechnungen hatte sie nun auch endlich Klarheit, was das Haus ihres Vaters anging. Nachdem er auf verschiedene Angebote nicht reagiert hatte, hatte sich der Ton verschärft. Ein gerichtliches Schreiben bewies, dass der Räumungstitel bereits erwirkt war. Zudem würde sich ihr Vater mit Schadensersatzforderungen auseinandersetzen müssen, da die Verzögerung bei den Bauarbeiten die Kosten in die Höhe getrieben hatte.
Anna hielt den letzten Brief näher an die kleine Lampe über ihrem Bett. Der Absender war so klein geschrieben, dass sie ihn kaum entziffern konnte.
»Weller Project Development Holding AG«, las sie.
Sie ließ das Blatt sinken. Wie viele Investoren für Großprojekte mochte es geben, die Weller hießen? Ihr fiel nur einer ein. Ohnmächtig vor Wut zerknüllte sie das Schreiben und warf es an die Wand. Wie oft würde es diesem Mann eigentlich noch gelingen, sie zu demütigen? Dieser Mistkerl hatte es die ganze Zeit gewusst. Spätestens, als er hier aufgetaucht war, musste er doch geahnt
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