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Dämonenherz

Dämonenherz

Titel: Dämonenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Talbot
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einer tiefen Traurigkeit.
    Anna beugte sich vor und musterte sich genauer. Ihr Gesicht war schmaler geworden, und der Blick aus ihren sanften, dunklen Augen wirkte müde. Auch daran gab sie Weller die Schuld. Sie hatte in der vergangenen Nacht kaum geschlafen, so sehr hatte sein Verrat an ihr genagt.
    Was ihr aber in Wirklichkeit die Ruhe raubte, war die Frage, warum ihr das alles so naheging. Mit Weller war doch eigentlich alles geklärt. Er war und blieb der arroganteste Mensch, dem sie jemals begegnet war. Zudem steckte er bis zum Hals in dunklen Geschäften. Seine Partner waren undurchsichtig, seine Partnerinnen – dabei dachte Anna vor allem an May Ling – viel zu attraktiv, um jemanden wie Anna ernst zu nehmen. Ehrenwert. Sie stieß einen verächtlichen Laut aus. Zunächst einmal war es nicht ehrenwert, seine Angestellte derart in Verlegenheit zu bringen. Sie hatte kein Kleid. Sie hatte keine Frisur. Sie hatte keine Schuhe …
    Moment.
    Anna eilte zurück an den Schreibtisch.
    »Ich habe da ein winzig kleines Problem«, flötete sie in den Telefonhörer.
    Keine zwei Stunden später starrte Anna erneut in den Spiegel und konnte nicht fassen, was mit ihr geschehen war. Der reizende Portier hatte einen Friseur, eine Maniküre und einen Make-up-Artist aus dem Hut gezaubert und auf Annas Zimmer geschickt. Den dreien war ein Meisterwerk gelungen: Anna sah atemberaubend aus.
    Die halblangen Haare glänzten wie dunkles Gold. Weiche Wellen rieselten links und rechts der Schläfen herab, die Strähnen am Hinterkopf waren hochtoupiert und in ihrem Nacken zu einem lockeren Knoten geschlungen. Ein Hauch von Bronze und Amethyst betonte ihre braunen Augen und ließ sie geradezu riesig erscheinen. Die Lippen betonte ein glänzender Rosenholzton, der sich auch noch einmal auf ihren Wangen wiederfand. So grazil und geradezu überirdisch schön hatte Anna sich noch nie gesehen. Zweifelnd betrachtete sie die Palette des Schminkkünstlers. Ob ihr das mit dem gleichen Werkzeug auch gelingen würde?
    » Madonna mia! « , rief der Friseur und klatschte in die Hände. Er tat so, als ob er aus Italien kam, aber Anna hatte seine geschickt eingestreuten Ausrufe schnell durchschaut. Ab und zu rutschte ihm nämlich ein herzhafter Dialekt aus dem Ruhrgebiet über die Lippen.
    »Sie ist wunderschön! Eine bella donna !«
    Verzückt strich er ihr noch ein widerspenstiges Härchen glatt und strahlte sie an. Anna lächelte. Wenn sie jetzt auch noch etwas anderes in Bodenlänge bekäme – außer dem Hotelbademantel, den sie gerade trug – nahm das Unternehmen langsam Gestalt an.
    Es klopfte. Der Friseur machte eine ungeduldige Handbewegung. Die Maniküre huschte zur Tür und kam Sekunden später miteinem leuchtenden Lächeln zurück ins Bad. In den Händen hielt sie einen großen Karton.
    »Das wurde soeben abgegeben.«
    Anna drehte sich um und bat die Frau, den Karton zu öffnen. Heraus kam das schönste Abendkleid, das sie je gesehen hatte. Es war aus glänzendem, goldschimmerndem Brokat mit einem enganliegenden Korsett und derart schmal geschnitten, dass Anna schon beim Gedanken, sich da hineinzuquetschen, die Luft wegblieb.
    »Das ist zu klein!«
    »Unsinn.« Der Friseur wischte ihre Bedenken mit einer Handbewegung weg. »Das passt schon.«
    Er schob den Serviertisch mit den Speisen, die Anna in all der Hektik völlig vergessen hatte, neben das Bett. Doch Anna hatte einen Blick für Kleidergrößen und ihre eigene Figur. Dieser Traum aus Brokat würde die Gelenkigkeit einer Schlangentänzerin erfordern. Dafür brauchte sie keine Zeugen.
    Sie bedankte sich bei allen und bat sie, sich das Trinkgeld selbst auf die Rechnung zu schreiben. Kaum hatten sie das Zimmer verlassen, trat Anna noch einmal an das Bett und betrachtete das Kleid. Es schimmerte so intensiv, dass es sie beinahe blendete. Vorsichtig strich sie über den Stoff. Diese Garderobe musste ein Vermögen gekostet haben. Ob Weller das arrangiert hatte? Zuzutrauen wäre es ihm. Der Farbton harmonisierte perfekt mit ihren kastanienbraunen Haaren, und Weller war der Typ Mann, der sein eigenes Erscheinungsbild gerne mit einer passenden Begleitung garnierte.
    In der Ecke des Zimmers stand noch der Karton. Als sie auf der Suche nach einem Begleitschreiben, einer Rechnung oder irgendeinem Hinweis, wer sie da so beschenkt hatte, den Deckel anhob, fand sie die passenden Accessoires. Ein paar Abendschuhe in dunklem Gold, ellenbogenlange Handschuhe und eine klitzekleine Tasche, die über und

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