Daemonenherz
Augen leuchteten silbern. Meine roten Haare waren länger geworden. Sie reichten bis zu den Hüften, fielen wie loderndes Feuer über meinen Rücken und wirkten wie glühendes Magma neben meinen Flügeln aus verbrannten Federn und Asche. Dornen staken auch in meinen Schlüsselbeinen und als ich über meinen Bauch strich, fühlte ich je drei auf jeder Seite. Schwarze Linien zogen sich über die rechte Seite meines Gesichtes und über den rechten Arm. Vermutlich bedeckten sie meine ganze rechte Hälfte.
Belanglos.
Ich zuckte zusammen.
«Lucifel», flüsterte ich und hob den Blick.
Ich hatte ihn nicht gesehen! Er saß auf seinem Thron und musterte uns.
«Hört das irgendwann auf?» fragte er und verwarf die Hände, während er auf uns zu schlenderte. «Wir können das noch eine Weile hin und her machen, ich finde das ja ganz unterhaltsam aber ich bitte euch», lachte er, als sein Blick auf mich fiel. «Irial. Ein gefallener Engel. Was für ein Anblick.» Er hielt inne und – ja, genoss den genannten Anblick. In etwas bedrohlicherem Ton fuhr er fort. «Und jetzt? Wie hast du gedacht, dass du ihn hier raus schaffst?»
«Ich bitte dich…» begann ich, doch er unterbrach bereits lachend.
«Du
bittest
mich?»
«Lass mich ausreden», fauchte ich unerwartet energisch.
Die Wut in mir kochte. Woher auch immer sie kommen mochte. «Ich bitte dich, ihn gehen zu lassen.»
«Und was habe ich davon? Ich lass euch beide ziehen?»
«Nein, nur ihn…»
Ich senkte den Blick.
Seine Aura war stark und brachte mich beinahe um den Verstand. Ich musste mich jetzt konzentrieren. Nur noch jetzt. Nur noch hier.
Er zögerte. Oder dachte nach. Ich sah es nicht.
«Und du? Kommst zu mir zurück gedackelt und lässt dich freiwillig von mir töten?»
«Wenn du ihn gehen lässt, ja.»
«Lucifel. Lass sie gehen. Ich bleibe ja», keuchte Raciel, was Lucifel einmal mehr mit Lachen quittierte.
«Sie ist ein gefallener Engel. Wo soll sie deiner Meinung nach hin?»
Er kniete vor Raciel nieder. Seine schuppige Hand ruhte nun auf seinen Wangen und er zwang ihn, zu ihm hoch zu blicken.
«Du wurdest begnadigt. Wegen ihr. Du wirst in den Himmel zurückkehren. Keine Sorge. Aber sie bleibt hier, so wie es aussieht. Du wirst den Himmel nicht mehr verlassen können. Sie kann den Himmel nicht betreten. Was für ein Schicksal.» Er lachte und warf einen Blick zu mir. «Das du mich für sie hintergehst», flüsterte er und etwas in seinem Tonfall hatte sich verändert. «Nach all den Jahrhunderten.»
War es Enttäuschung? Ich konnte es nicht deuten. Lucifels Blick blieb starr und emotionslos auf Raciel gerichtet. «Werde glücklich im Himmel. Ich werde mich gut um sie kümmern.»
Lucifel beugte sich zu Raciel hinunter und küsste ihn. Dann stand er auf und trat zu mir. «Wir haben eine Abmachung. Bring ihn nach Ygdrasil und versuch ihn den Engeln aufzudrücken. Danach kommst du zurück. Zu mir.»
Ich senkte den Blick, nickte und atmete auf.
Es dauerte eine Weile, bis ich den Trichter erreichte. Die Pfeiler waren befreit. Die Engel zogen sich langsam zurück und nur noch vereinzelte Gruppen kämpften verbissen. Sie hatten hier nichts mehr zu erledigen. Sie konnten in den Himmel zurückkehren.
Ich wollte Raciel so fest packen, wie ich konnte, um den Weg bis nach oben zu schaffen, doch er hielt mich zurück.
«Irial.»
Er krallte sich in meinem Nacken fest. Sein Griff war schwach, aber ich spürte, dass seine ganze momentane Kraft darin lag.
«Ich werde dich zurück holen», flüsterte er. «Ich werde alles daran setzen, dich zurück zu holen.»
Ich nickte und biss mir gleichzeitig auf die Zunge. Ich wusste, dass er das nicht schaffen würde. Ich war soweit gekommen, weil Michael mir geholfen hatte. Alles andere hatte ich bloß durch pures Glück erreicht. Auch wenn Raciel mich retten würde. Gott würde ihn ein weiteres Mal aus dem Himmel verstoßen. Es gab keine Zukunft für uns beide. Nicht in dieser Welt. Nicht unter diesen Umständen.
Ich nickte. Tapfer und ohne eine Träne zu vergießen. Es genügte zu wissen, dass es ihm gut ging. Dass er bekam, was er verdiente. Eine zweite Chance. Ein Leben weg von den Qualen der Hölle, ein Leben zurück im Himmelreich.
«Ich liebe dich», sagte er und zog mich zu sich.
Ich versuchte, den Gedanken daran zu verdrängen, dass das hier der letzte Kuss war. Der Abschluss. Das Ende unserer Zukunft, die noch nicht einmal begonnen hatte.
«Ich dich auch», antwortete ich.
Es tat weh. Aber durch
Weitere Kostenlose Bücher