Daemonenherz
tief durch. Konnte mein Blut rauschen hören. Mein Herz schlug mir bis zur Kehle und ich fror. Am liebsten hätte ich losgeheult und wäre geflohen. Aber ich konnte nicht. Ich durfte nicht. Raciels Leben hing an meiner Entscheidung und an meinem Erfolg. Ich musste das hier durchstehen. Keine Zeit für meine Panik.
Jede Bewegung musste sitzen.
Innerhalb eines Wimpernschlages zog ich mir die Brustpanzerung über den Kopf, gleichzeitig mit dem Helm.
Alles schien in Zeitlupe zu wechseln.
Die roten Haare fielen mir ins Gesicht, als ich mich zum Boden wandte, die Flügel eng an meinen Körper drückte und mich fallen ließ. Bei einem Blick zur Seite konnte ich Gabriels Gesichtsausdruck sehen. Ich hatte keine Zeit, einen Gedanken daran zu verschwenden.
Ich stürzte hinunter in den Trichter. Der Luftzug nahm mir den Atem und presste die Luft aus meinen Lungen. Chimären kreischten neben mir. Sie erkannten mich! Sie wussten, warum ich hier war.
Ich erreichte den Boden des Trichters, spannte die Flügel und federte das Tempo abrupt ab. Mit zwei kräftigen Flügelschlägen setzte ich über das Plateau hinweg und durch das Tor im Fels ins Freie.
Der vertraute Geruch der Ebene stieg in meine Nase. Das fahle Licht der Sonnenfinsternis über mir. Die Türme der Stadt am Horizont. Tartaros lag noch in weiter Ferne.
Mein Rücken schmerzte. Meine Flügel gaben nach. Eine Energie trieb mich weiter, von der ich nie gedacht hätte, dass ich sie aufbringen konnte. Alle meine Gedanken waren auf Raciel gerichtet. Darauf, allen zu beweisen, zu was wir fähig waren.
Fliegend legte ich die Strecke nach Tartaros fast doppelt so schnell zurück als mit der Kutsche. Aber es forderte ein Zehnfaches an Energie.
Ich passierte die Tore und keuchte. Taumelte in der Luft. Irgendwo zwischen zwei Häuserschluchten sank ich zu Boden und krümmte mich. Mein Körper schmerzte. Die Luft kratzte in meiner Kehle und Tränen waren auf meinen Wangen eingetrocknet. Ich rang nach Atem.
Ich rannte in Richtung des Palastes. So hatte ich keine Chance, ihn zu erreichen. Also erhob ich mich wieder in die Luft.
Die Dämonen der Stadt konnten mich gar nicht übersehen. Sie keiften und setzten zur Verfolgung an.
Ich erreichte den Palast und stolperte mit letzter Kraft durch die Tore. Dort krachte ich direkt vor ein Paar silberne Krähenfüße.
«Irial», flüsterte Lilith entsetzt und half mir auf die Beine.
«Ich habe keine Zeit», keuchte ich. «Sag niemandem, dass ich hier bin.»
Ich hastete weiter.
«Zu spät«, flüsterte Lilith.
Ich fand den Raum hinter dem Thronsaal. Es war tatsächlich bloß ein Zimmer aus schwarzem Marmor mit einem gigantischen, dunklen Spiegel. Ich blieb davor stehen und erinnerte mich an Belials Warnung. Es war eine unnötige Warnung. Alles an was ich in diesem Moment denken konnte, war Raciel.
Ohne zu zögern trat ich hindurch. Ich fand mich an einem muffigen Ort. Ein stetiges Raunen und Flüstern erfüllte den Raum und stellte meine Nackenhaare auf. Ich konnte nicht sehen, woher es kam, es schien überall.
Vor mir lag ein Brunnenschacht aus grauen, vermoderten Ziegeln. Nur war er grösser. Sicher zehn Meter im Durchmesser. Eine rote Flüssigkeit, vermutlich Blut, sickerte aus den Mauerritzen zwischen den Backsteinen und rann zum Grund. Dort unten, wo gerade das letzte schummerige Licht aus den vergitterten Fenstern über mir reichte, erkannte ich eine Gestalt. Angekettet an die kalten, feuchten Wände.
Tränen schossen mir in die Augen und sofort stürzte ich hinunter. Der Boden unter meinen Füssen war matschig und schmatzte, als ich auf Raciel zu eilte.
Ich ignorierte das viele Blut.
Er sah grässlich aus. Ein ausgerissener Flügel lag blutend neben ihm. Sein Körper war über und über mit roten Striemen versehen und sein zweiter Flügel hing abgeknickt an seinem Rücken.
Ich zitterte und löste die Fesseln um seine Handgelenke. Augenblicklich brach er zusammen. Ich sank mit ihm auf den feuchten Boden.
«Raciel», flüsterte ich Tränen erstickt.
Er atmete, öffnete die Augen. Als er mich erkannte, riss er sie auf.
«Irial», keuchte er. «Du musst gehen. Bitte. Wieso…»
Ich legte ihm einen Finger auf den Mund.
«Ich kann dich nicht meinetwegen sterben lassen. Ich bin hier, um dir zu helfen.»
«Du darfst nicht…» murmelte er und drückte meine Hand. Er schloss die Augen. «Küss mich.»
Ich schluckte den Kloss in meinem Hals hinunter und beugte mich zu ihm. Seine Lippen waren rau, aber noch immer
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