Daemonenherz
einzusammeln. Seit den letzten zweitausend Jahren wird das von Jahrhundert zu Jahrhundert besser!»
Sie deutete meinen Blick richtig.
«Sieh mich nicht so an, es ist nun einmal so, dass wir grundsätzlich nicht eingreifen müssen. Die Menschen zerfleischen sich selbst auch ohne unser Zutun. Sie stehen halt drauf, jemand anderem die Schuld an allem Schlechten und Bösen zu geben, als in den eigenen Spiegel zu blicken. Da kommt ihnen die Hölle und Lucifel gerade recht.»
«Warum tut Gott nichts dagegen? Die Menschen sind deiner Ansicht nach furchtbar schlecht, warum duldet er das?»
Sie lachte erneut. «Gott hat die Menschen mit freiem Willen erschaffen. Jetzt muss er ausbaden, was er angerichtet hat. Die Menschen machen es ihm auch nicht leicht. Nein ehrlich, hier muss ich ihn doch in Schutz nehmen. Er und seine Leute leisten verdammt gute Arbeit. Sie tun was sie können. Aber für uns war es noch nie so leicht. Früher, das waren noch Zeiten. Wir verführten, überzeugten, überredeten, schlossen einen Deal nach dem anderen ab. Schriftsteller, Dichter, Könige, Feldherren – sie alle verkauften ihre Seele für Geld, Ruhm, Liebe und so weiter. Wir untereinander führten Ranglisten, wer die meisten Verträge abschließen konnte, es war ein Fest. Heute schlachten sich die Menschen gegenseitig ab, wenn ihnen etwas nicht passt. Wir brauchen bloß noch einzusammeln. Hey», sie schnippte vor meinem Gesicht. «Guck nicht so depressiv. Der Himmel hat verdammt gute Quoten, das kannst du mir glauben, aber die haben wir auch. Die Neutralen sind zurzeit hart umkämpft. Und die landen nicht in Sheol. Warst du jetzt schon mal in Niflheim?»
Ich schüttelte den Kopf. «Aber», begann ich zögerlich und runzelte die Stirn. «Es gibt doch so viele religiöse Menschen. Ich meine solche, die beten und so. Die dürft ihr doch nicht anrühren.»
Belial starrte mich einige Sekunden an und ließ fast den Teller in der Hand fallen. Sie verkniff sich ein lautes Lachen, aber versagte. Sie brüllte los und zum ersten Mal sah ich Tränen in ihren Augen, als sie sich den Bauch hielt vor Lachen.
«Der war gut Irial», sagte sie und rang nach Atem.
Während ich ihren Lachanfall beobachtete, musterte ich sie argwöhnisch. Schließlich fing sie sich, wischte sich die Tränen aus den Augen und stotterte eine Erklärung.
«Religion schützt dich nicht vor der Hölle. Im Gegenteil.»
«Im Gegenteil?»
Sie schnaubte und unterdrückte das Lachen, um zu erklären. «Hör zu Schätzchen. Unter dem Deckmantel der Religion geschehen die schlimmsten Dinge. All diese scheinheiligen Heuchler mit ihren Predigten von Liebe und Frieden und ihre gleichzeitige Intoleranz allem gegenüber, das anders ist. Ihre Arroganz zu behaupten, Gottes Willen zu kennen und zu meinen, die schlimmsten Sünden seien durch zwei Ave Marias und fünf Vater unser vergeben. Lächerlich. Es geht bloß um die Ausübung von Macht und dem Willen, andere zu kontrollieren und zu beeinflussen. Und natürlich schützt das nicht. Ein Arschloch ist auch ein Arschloch, wenn es glaubt.»
Ich nickte, grinste innerlich und trank meinen Becher leer. Belial ließ das letzte Stück Kuchen in ihrem Magen verschwinden.
«Ich weiß, ich sollte damit nicht anfangen, aber wie geht es dir? Wegen Raciel, meine ich.»
…
BOOM! Headshot.
Ich hustete und mir wurde schlecht.
«Es macht dich wahnsinnig, nichts von ihm zu hören, nicht wahr?»
Ich starrte sie an. In einer Mischung aus Wut und Schmerz. Ehe ich antworten konnte, griff sie an ihr Armband und der Bildschirm flackerte vor ihr auf. Sie gab ihm einen leichten Stoß und er schwebte zu mir.
«Log dich ein. Schreib ihm eine E-Mail. Wenn er Zugang zum Netz hat, wird er vermutlich antworten. Aber ich erlaube dir das nur dieses eine Mal, hast du verstanden? Nur damit du ihm sagen kannst, was du ihm nicht mehr sagen konntest.»
Mein Herz raste. Mir wurde heiß und kalt und ich begann zu zittern. Ungläubig starrte ich sie an.
«Na mach schon, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit! Nimm mein E-Mail-Programm. Schreib unter meinem Account.»
Schnell tippte ich in die Tasten. Die Worte kamen wie von selbst, ohne dass ich lange nachdenken musste.
Raciel,
Ich bin’s Irial. Ich schreibe von Belials Account aus, weil mein Zugang gesperrt ist.
Es geht mir soweit gut. Ich lebe noch und stehe in Lucifels Diensten. Ich vermisse dich. Ich vermisse dich so unglaublich, jeden Tag und jede Minute. Ich hoffe, es geht dir gut. Bitte, wenn du das liest,
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