Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
Wir sind doch nicht auf Vergnügungsfahrt.«
Laut stöhnte Songard. »Ach, nun ist unser kurzes Weilchen wonniger Freiheit dahin. Der alte Bimser zieht wieder ins Feld.«
R'shiel schaute Songard an, während die Hüter sich anschickten, die Gefangenen aufzureihen und ihnen die Ketten anzulegen. Voraussichtlich blieb ihnen hier am Bug noch eine Frist von einigen wenigen Augenblicken, bis man auf sie aufmerksam wurde.
»Bimser?«, wiederholte sie. »Weshalb nennst du ihn so?«
»Unser Loclon teilt gern Hiebe aus«, sagte Songard im Ton von jemandem, der genau Bescheid wußte. »Du kannst in den Kameretten der Zitadelle jedes Mädel fragen. Er entgilt vorzüglich, aber er fühlt sich am liebsten als großer Meister. Verstehst du, was ich meine?«
»Er schlägt gern Leute?«, fragte R'shiel, die nicht ganz sicher war, ob sie Songards sonderbare Redewendungen verstand.
»Er haut gern Frauen«, berichtigte sie Songard. »Davon kriegt er einen knüppelharten Wetzkegel. Aber ich wette, er ist als Kriegsmann nicht halb so eifrig dabei.«
Bevor R'shiel etwas antworten konnte, wurden sie und Songard von Sergeant Hurly aufgestöbert.
Erst am späten Abend erhielt R'shiel eine Gelegenheit, mit Tarja zu sprechen. Nach dem Verzehr eines dünnen Haferschleimsüppchens lag sie im Finstern wach, lauschte aufs Knarren des Schiffs, auf das kaum vernehmliche Haspeln der hin und her baumelnden Hängematten sowie das raue Schnarchen der Mitgefangenen. Sie wartete lange, nämlich bis die Gewissheit bestand, dass außer ihr alle schliefen, ehe sie aus ihrer Hängematte schlüpfte. Während sie sich in tiefster Dunkelheit vorwärts tastete, verließ sie sich ausschließlich auf ihr Gedächtnis, um die Stelle zu finden, wo Tarja schlief, und versuchte beim Voranschleichen keinen fremden Schläfer anzustoßen. Das Flussboot hatte über Nacht Anker geworfen, und das Geräusch der Wellen, die sachte gegen den Holzrumpf plätscherten, schien unnatürlich laut zu klingen.
»Tarja?«, wisperte sie und streckte die Hand nach seinem Gesicht aus. Unversehens umklammerte eine eisenharte Faust ihr Handgelenk, und es kostete sie alle Selbstbeherrschung, infolge des plötzlichen Schmerzes nicht aufzuschreien. »Ich bin's«, zischelte sie.
Tarja ließ von ihrer Hand ab, und der Schmerz schwand. »Was ist los?«, fragte er so leise, dass sie sich vorbeugen musste, um ihn verstehen zu können, bis sie im Gesicht seinen Atem spürte.
»Ist es möglich, miteinander zu reden?«
Mehr ahnte sie, dass er nickte, als dass sie es in der Dunkelheit sah, und wich zurück, als er sich aus der Hängematte schwang. Er nahm sie bei der Hand und führte sie zur gegenüberliegenden Seite des Frachtraums. Durch einen Riss in einer Planke sickerte ganz schwacher Lichtschimmer herein. Tarja hockte sich auf den harten Holzboden und zog R'shiel, die in der leichten Bluse vor sich hin zitterte, zu sich herab.
»Was ist geschehen?«, flüsterte sie. »Wieso bist du nicht hingerichtet worden?« Obschon die Mehrzahl der Verbannten auf der anderen Seite des Laderaums schliefen, galt es zu berücksichtigen, dass das Flussboot nicht allzu groß war und eine laute Unterhaltung sie wahrscheinlich geweckt hätte. »Alle behaupten, du wärst von den Rebellen abgefallen.«
»Dieses Gerücht ist Frohinias Rache. Sie hofft, dass die Rebellen mich für sie umbringen.«
»Aber wenn du ihnen erklärst, wieso ...«
Sie spürte, dass Tarja im Dunkeln den Kopf schüttelte. »Du kennst sie so gut wie ich, R'shiel. Ich bezweifle, dass man mir überhaupt eine Gelegenheit gewährt, mich zu erklären. Aber noch sind wir am Leben, und das ist immerhin etwas. Vielleicht finde ich noch einen Ausweg aus dem ganzen Verhängnis.«
»Du darfst mich jederzeit retten, Tarja. Irgendwo, irgendwann zwischen hier und Grimmfelden soll es mir recht sein. Ich sterbe, wenn ich nur eine Stunde lang das Leben einer Court'esa führen muss; an zehn Jahre wage ich gar nicht zu denken.«
»Zu zehn Jahren Verbannung hat Harith dich verurteilt?«
R'shiel nickte. Einesteils wünschte sie sich, er bräche in überschäumende Wut aus und träte ein Loch in den Schiffsrumpf, sodass sie in die Freiheit schwimmen könnten. Andererseits war sie sich darüber im Klaren, dass er genauso machtlos war wie sie.
»Tja ...« Sie seufzte. »Gleichwohl bin ich froh, dass Frohinia dich nicht hat hängen lassen.«
»Heißt das, du hast mir verziehen?«
»Verziehen? Was?«
»Das musst du wissen.«
»Ach ...! Du sprichst auf
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