Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
hätte, und selbst wenn er gelungen wäre, hätte sie in dieser Gegend nirgends Unterschlupf gefunden. Songard huschte zu ihr, während der Hüter den Frauen befahl, eine Reihe zu bilden, und tippte ihr auf die Schulter.
»Hör auf mich, ich rat's dir«, sagte Songard. »Begeh bloß keine Torheit. Gib ihm, was er will, damit fährst du am klügsten. Sonst bist du's, die das Nachsehen hat. Es kostet dich wenig. Verstehst du mich?«
Ausdruckslos sah R'shiel ihr ins Gesicht. Schmerzhaft drückte Songard ihr die dicklichen Finger in die Schulter.
»Sei vernünftig, ja?«, drängte Songard. »Es geht um Macht. Er hat keine andere Art von Macht über dich, begreifst du? Je hartnäckiger du dich widersetzt, umso mehr wächst sein Wille, der Stärkere zu sein.«
»Ich habe befohlen«, rief der Hüter, »dass ihr euch in einer Reihe aufstellt.«
»Das Mädchen hat bloß 'n paar nützliche Ratschläge von mir gekriegt«, antwortete Songard, bevor er sie abführte.
»Glaub ich dir ohne Weiteres«, brummte der Wächter und schloss die Fußeisen um Songards Knöchel.
Dann fasste er R'shiel am Arm und brachte sie zu Loclons Zelt. R'shiel schaute sich nach den Frauen um, hoffte auf ... Auf was? Rettung? Beistand? Doch die Frauen guckten ihr lediglich nach. Telia und Warril wirkten regelrecht teilnahmslos. Danka dagegen war anscheinend sogar ein wenig neidisch, weil man R'shiel und nicht ihr den Vorzug gab. Die Männer starrten bloß herüber oder beachteten sie gar nicht. Ausgenommen Tarja. Sobald er sah, wohin der Bewacher mit ihr strebte, sprang er plötzlich den Hüter an, der sich gerade damit beschäftigte, ihm die Fußeisen anzulegen. Der Mann stieß einen Aufschrei aus, und zwei andere Hüter stürzten hinzu und knüppelten Tarja nieder. R'shiel wandte sich ab, weil sie es nicht ertragen konnte zu sehen, dass man ihn schon wieder prügelte. Lass dich niemals von
irgendjemandem in den Staub zwingen , hatte er sie gemahnt. An diesen Gedanken versuchte sie sich zu klammern, als der Hüter sie in Loclons Zelt schubste und hinaus in die Nacht verschwand.
Loclon wartete auf sie. Er saß auf einem faltbaren Feldstuhl und hatte einen Krug Bier in der Hand.
»Findest du Vergnügen an der Wanderung?«
Trotzig hob R'shiel das Kinn und weigerte sich, seinen Blick zu erwidern.
»Weißt du, ich habe über die Frage nachgesonnen, wieso du dich wie eine hochnäsige kleine Hexe benimmst. Ist es, weil du die Tochter der Ersten Schwester bist? Verhältst du dich etwa deshalb derartig anmaßend und dünkelhaft? Aber wie sich inzwischen herausgestellt hat, bist du ja nur ein gewöhnlicher Bankert.« Mit erstaunlich geschmeidigen Bewegungen erhob er sich vom Feldstuhl und begann sie zu umkreisen wie ein Raubvogel.
Mit vorsätzlicher Willensanstrengung heftete R'shiel den Blick auf den Hauptmann. »An hohem Mut stören sich nur Leute mit niedriger Gesinnung.«
Diesen Seitenhieb vergolt Loclon mit einer Ohrfeige, die ihr die Tränen in die Augen trieb. »Du selbstgefällige kleine Schiunze!« R'shiel warf ihm einen bösen Blick zu, wagte allerdings nicht daran zu denken, was als Nächstes folgen mochte. Eingebildete Sorgen konnten eine schlimmere Marter als wirkliches Leid sein. Wenigstens hatte sie etwas Derartiges einmal gehört. »In Wahrheit bist du doch wie der gesamte Rest von Seminarsschlampen, oder etwa nicht? Ich hab euch Seminaristinnen in der Zitadelle erlebt. Ich wüsste gern, wie viele Liebhaber du und deine überheblichen Busenfreundinnen wohl verschlissen habt.«
R'shiel würdigte seine Äußerungen keiner Stellungnahme.
»Antworte mir!«
Sein unvermutetes Aufbrüllen brachte sie zum Zusammenzucken. Sie spürte Wut und wollüstiges Lechzen nach Leid - ihrem Leid - von seiner Erscheinung ausstrahlen wie Sommerhitze von der Morgensonne. In ihrem Innern rang Aufsässigkeit gegen Furcht, doch hatte sie Songards Rat noch in frischer Erinnerung. Es ging um Macht, und wenn sie Loclon starrsinnig die Stirn bot, forderte sie umso schlimmere Rache heraus. Loclon mussten Grenzen gezogen werden.
»Ich halte mich für niemand Besseres«, sagte sie so bescheiden, wie es ihr über die Lippen kommen wollte.
Loclon grabschte eine Hand voll ihres langen Haars und riss ihr bösartig den Kopf in den Nacken. »Werd bloß nicht gönnerhaft, du eitle kleine Hure!«
R'shiel schwieg und bedauerte es nun, ihn lediglich ins Gemächt getreten zu haben. Hätte sie geahnt, was noch geschehen sollte, hätte sie sich mit aller Entschlossenheit
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