Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
Hüter-Heer. In der Zitadelle hatten sich ihre Wege kaum jemals gekreuzt.
R'shiel trug einen alten, roten Rock, der aus Crisabelles Kleiderkammer stammte, doch trotz des tief hinunter geschobenen Bundes und des ausgelassenen Saums reichte er ihr kaum bis zu den Fußknöcheln. Auch die Bluse war ein abgelegtes Stück Crisabelles und umwehte ihre schlanke Gestalt weit lockerer, als es um Crisabelles üppige Oberweite der Fall gewesen sein musste. Sie hatte das lange, kastanienrote Haar zum Zopf geflochten, der ihr auf den Rücken hing. An den schmalen Armen sah man noch mehrere, vor Tagen entstandene, ziemlich hässlich verfärbte Quetschungen.
Cortanen stand am Kamin, in dem ein Feuerchen knisterte, und hielt die Arme hinterrücks verschränkt.
»Wie heißt du, Mädel?«
»R'shiel von Heimbach, Feldhauptmann«, antwortete sie, indem sie einen Knicks vollführte. Nicht R'shiel Tenragan. R'shiel von Heimbach .
»R'shiel!«, japste Cortanen. Offenbar erkannte er sie doch. In seiner Betroffenheit gewahrte er nicht, dass ihr Gesicht noch Spuren weiterer Blutergüsse aufwies. »Warum hat man dich nach Grimmfelden verbannt?«
»Ich bin aus der Zitadelle fortgelaufen und an Tarjanians Flucht beteiligt gewesen, Feldhauptmann«, gab R'shiel ihm wahrheitsgemäß Auskunft. Wilem Cortanen belügen zu wollen hatte keinen Sinn.
»Aber deine Mutter ...«
»Frohinia ist nicht meine Mutter. Ich bin ein Findelkind.«
Erstaunt musterte der Feldhauptmann sie. »Dann bist du wohl auch nicht Jengas Kind?«
»Scheinbar bin ich niemandes Kind, Feldhauptmann.«
»Als ich dich heute früh zur künftigen Zofe meiner Gemahlin auserkoren habe, wusste ich nicht, wer du bist. Jung Dace hat mich daran erinnert, dass Crisabelle eine neue Bedienstete suchte, und dich habe ich nur darum ausgewählt, weil du die jüngste, also vermutlich am wenigsten abgebrühte Verbrecherin warst. Ich hoffe, du weißt dein großes Glück zu würdigen.«
Es kommt darauf an , dachte R'shiel, was man unter großem Glück versteht . »Ich will mich bemühen, Feldhauptmann, Euch keinen Kummer zu machen.«
»Du hast allzeit im Rufe gestanden, ein gescheites Mädel zu sein. Beweise es und bleib Tarjanian fern. Wenn du dich in Grimmfelden gut führst, darfst du vielleicht eines Tages in die Zitadelle heimkehren.«
»Nicht solange Frohinia Erste Schwester ist, Feldhauptmann.«
»Du bist nicht die Einzige, mein Kind, die ein solches Los erleidet«, sagte Cortanen, dann schüttelte er den Kopf, als vertriebe er eine insgeheime Anwandlung des Kummers. Nachdem er die ersten klärenden Worte mit R'shiel gewechselt hatte, betrachtete er sie einige Augenblicke lang aufmerksamer und schnitt zuletzt eine düstere Miene. »Woher hast du diese Prellungen? Sind sie auf dem Weg zu uns entstanden? Oder in der Zitadelle?«
Offenbar erwartete er eine Antwort. Erriet er, was sie erlebt hatte? Doch R'shiel ließ die Gelegenheit ungenutzt, die er ihr bot. Sie beabsichtigte die Rechnung mit Loclon auf ihre Weise zu begleichen.
»Ich bin zu Fall gekommen, Feldhauptmann«, log sie.
Wilem Cortanen stieß ein Aufseufzen aus. »Dann musst du in Zukunft achtsamer sein, verstanden?« Er wirkte, als bereitete es ihm Unbehagen, dass er im Grunde zu feige war, um der Sache näher auf den Grund zu gehen und zu ermitteln, was sich wirklich zugetragen hatte. »Wenn du dich zur Zufriedenheit meiner Gemahlin bewährst, sorge ich dafür, dass dein Aufenthalt in Grimmfelden so angenehm verläuft, wie ich ihn dir einrichten kann.«
»Meinen Dank, Feldhauptmann. Darf ich nun gehen?«
»Du darfst, doch hör dir zuvor noch einen Rat an. Als Zofe meiner Gemahlin hast du mehr Freiheiten als die meisten Sträflinge, aber halte dich fern von der Frauen-Arbeitsanstalt und den Unterkünften meiner Männer. Ich gedenke mein Bestes zu tun, um dich gegen Anfechtungen zu beschirmen, jedoch zöge ich's vor, dich nicht erst unter meinen Schutz nehmen zu müssen, nachdem etwas Unbilliges geschehen ist. Verstehst du, was ich meine?«
»Jawohl, Feldhauptmann.«
»Wie du sicherlich schon weißt, wohnt auch meine Mutter in diesem Haus«, stellte Cortanen fest. »Sie ist jetzt eine gewöhnliche Schwester im Ruhestand, aber du hast ihr mit der gleichen Achtung wie jeder Schwester zu begegnen. Hast du auch das verstanden?«
»Ja, Feldhauptmann.«
»Dann kannst du nun gehen.«
R'shiel kehrte in die Küche zurück, um sich bei Teggert zu erkundigen, wo sie schlafen sollte. Obwohl es dem Wohnsitz der Cortanens an
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