Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
sie die Lippen zusammen, als ihr ein unbändiges Lachen zu entfahren, ihren eigenständigen, heimlichen Sieg zu verraten drohte.
Zehn Tage, nachdem sie vom Flussboot an Land gegangen waren, kam Grimmfelden in Sichtweite. Wie ein abgemagerter Köter duckte sich die Stadt an den Fuß der Klimmersteiner Kegel. Halb voller Bangen, halb mit Erleichterung - da die entsagungsreiche Reise endlich vor ihrem Ende stand -, sah R'shiel die Ortschaft allmählich größer werden. Ohne viel Gedanken an bauliche Kunstfertigkeit zu verschwenden, waren die viereckigen, kehrichtgrauen Häuser aus dem in der hiesigen Gegend abgebauten schwarzdunklen Stein errichtet worden. Mehrheitlich hatten sie nur ein Erdgeschoss sowie ein Strohdach, aufgrund der im Sommer vorherrschenden, beträchtlichen Hitze jedoch große Terrassen. Nur der Gasthof, die Hüter-Bastei sowie einige wenige weitere Gebäude zeichneten sich durch obere Stockwerke aus. Sogar die Ringmauer, die den Ort umgab und deren Krone aus Glasscherben abschreckend im Sonnenschein schillerte, schien es darauf anzulegen, besonders niedrig zu wirken.
Die weiblichen Häftlinge hatten R'shiel beteuert, Grimmfeldens Court'esa würden nur leicht bewacht, und je höher der Rang des Hüters sei, an den man Anschluss fand, um so weniger beschwerlich verlaufe die Verbannung. Teils widerstrebte R'shiel das Erfordernis, sich einem ranghohen Hüter an den Hals zu werfen. Andernteils ekelte sie noch wesentlich tiefer die Vorstellung an, als gewöhnliche Court'esa in irgendeinem Hurenhaus tätig zu sein. Darum bemühte sie sich jetzt - genau wie die anderen Frauen - um ein einigermaßen vorzeigbares Äußeres. Diese Einsichtigkeit verdankte sie Loclon. Sein Verhalten hatte ihr verdeutlicht, wie es tatsächlich um sie stand. Sich in einer Wäscherei oder Küche abzurackern würde sie nicht vor Nachstellungen bewahren, und eines hatte sie unabänderlich beschlossen: Sie beabsichtigte seinen Umkreis zu meiden, bis sie an ihm Rache üben konnte. Wenn sie zu diesem Zweck die Zuwendung und den Schutz eines anderen Ranginhabers erlangen musste, dann war sie dafür zu tun bereit, was es zu tun galt.
Lass dich niemals von irgendjemandem in den Staub zwingen , hielt sie sich stets Tarjas Ermahnung vor Augen.
Diese Maßgabe entwickelte sich gegenwärtig zu der Regel, nach der sie bis auf Weiteres zu leben gedachte.
Gutmütig johlten die Bewacher den Frauen, während sie sich zurechtmachten, diese und jene Bemerkungen zu und sparten nicht mit Ratschlägen bezüglich dessen, was die erhöhte Aufmerksamkeit ihrer Vorgesetzten wecken mochte. Schließlich verbot Loclon mit lautstarken Befehlen diese Art der Beratung. R'shiel kämmte sich mit den Fingern das Haar und fing unterdessen einen nachdenklichen Blick Tarjas auf, doch sie wandte ihm den Rücken zu.
Grimmfeldens Feldhauptmann nahm die neuen Häftlinge auf dem Marktplatz in Empfang. R'shiel hatte vergessen, dass inzwischen Mahinas Sohn in der Bannschaft das Sagen hatte. Nun hoffte sie, seine Beachtung auf sich zu ziehen. Gleichgültig schaute er zu, während man die Ankömmlinge in Reih und Glied aufstellte und sich eine kleinere Menge Schaulustiger versammelte, um die Neuen anzugaffen. An seiner Seite stand ein Bärtiger, anscheinend sein Adjutant. Ohne mit einer Wimper zu zucken, las Wilem Cortanen die Liste der Zugänge durch, die ihm Loclon aushändigte. Bei einem der Namen aber stutzte er, hob den Blick und musterte die Häftlinge, bis er Tarja entdeckte.
Cortanen befahl ihm vorzutreten. »Ihr seid eine Schande für das Hüter-Heer, Tenragan, und obendrein habt Ihr auch Eure heidnischen Freunde verraten.«
Tarja gab keine Antwort.
»Es ist meine Pflicht sicherzustellen, dass Ihr am Leben bleibt«, fügte Cortanen in einem Tonfall hinzu, als könnte er sich keine widerwärtigere Pflicht denken.
»Das ist schwerlich zu gewährleisten, wenn Ihr Euch unter anderen Verbannten bewegt. Niemand schätzt Verräter, aber Ihr habt Euch gar dahin verstiegen, zwei Seiten zu hintergehen. Gewiss mangelt es auch mir an der Absicht, Euch hier ein lustiges Lotterleben zu erlauben. Darum teile ich Euch der Dreckfuhre zu. Ein paar Jahre lang Kot zu karren wird Euch vielleicht das Mütchen kühlen.« Er drehte sich um und winkte den Adjutanten heran. »Mysekis, veranlasst mir, dass die anderen Kerle zu den Minen geschafft werden. Tenragan bringt zu Sergeant Lycren und achtet auf strenge Bewachung. Ich wünsche keinerlei Zwischenfälle.«
»Jawohl,
Weitere Kostenlose Bücher