Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
wuchtigen Schlag gegen die Schläfe versetzte, sodass er besinnungslos in die Arme mehrerer Zuschauer flog. Nach der Stimmung dieser Augenzeugen geurteilt, hatten sie offensichtlich auf der Seite des Unterlegenen gestanden. Mit gespannter Aufmerksamkeit verharrte Tarjanian mitten in dem Kreis; seine Augen funkelten, er war anscheinend darauf gefasst, nun von jemand anderem angegriffen zu werden. Über einem Auge hatte er eine Platzwunde, und sein Brustkorb wogte infolge der Anstrengung, aber er wirkte sehr wohl noch kraftvoll genug, um es mit jedem aufzunehmen, der sich mit ihm anlegen wollte.
»Schluss damit!«, schnauzte Wilem Cortanen und meinte damit sowohl die Umstehenden wie auch Tarjanian. »Lasst ihn fortschaffen«, befahl er Mysekis und wies auf den Ohnmächtigen. »Die neue Heilerin mag sich um ihn kümmern. Alle Übrigen kehren sofort an ihre Aufgaben zurück, oder es hagelt Strafen.«
Mit bemerkenswerter Eile verzog sich die Menschenansammlung, nur Tarjanian, ein weiterer Häftling sowie ein Sergeant blieben zurück. Immerhin brachte der Sergeant so viel Anstand auf, zerknirscht dreinzuschauen.
»Was ist vorgefallen, Lycren?«
»Wir hatten Pause, Feldhauptmann, da kam von den Ställen her Gräfes Werkschar vorbei. Er hat Tenragan einen Verräter geschimpft. Tenragan hat sich wie ein Blitz auf ihn gestürzt, ich könnt's unmöglich verhindern.«
Brakandaran glaubte Lycren aufs Wort. Tarjanian war ein großer, starker Mann und besser im Kampf geschult als jeder andere ihm bekannte Mensch. Wenn er es sich in den Kopf gesetzt hatte, seine Ehre zu verteidigen, konnte der Sergeant keinesfalls dazu in der Lage gewesen sein, ihm in den Arm zu fallen. Cortanen wandte sich an den Rebellen, und Brakandaran gewahrte erleichtert, dass die Kampfeslust aus Tarjanians Augen wich.
»Die Verteidigung der Ehre ist Männern vorbehalten, die noch Ehre haben.«
Bei dieser Beleidigung wurden Tarjanians Augen schmal, aber er regte sich nicht von der Stelle. Brakandaran sah in seinem Innern Trotz und Aufbegehren brodeln. Wenn Feldhauptmann Cortanen ihm nicht bald den aufsässigen Geist brach, würde sich Tarjanian wahrscheinlich bald zu einer ernsten, dauerhaften Quelle der Ärgernisse entwickeln, eine Aussicht, die auch Brakandaran als für seine Absichten hinderlich betrachtete.
»Ich dulde unter den Sträflingen keine Prügeleien. Die dafür übliche Bestrafung sind fünf Peitschenhiebe. Veranlasse alles Weitere, Lycren.«
»Glaubt Ihr etwa, fünf Peitschenhiebe machen es mir zur Freude, Mist zu schaufeln?« An den Seiten ballte Tarjanian dermaßen die Fäuste, dass sich die Knöchel weißlich abzeichneten.
»Also zehn Peitschenhiebe«, sagte Cortanen. »Oder legt Ihr's auf zwanzig an, Tenragan?«
Mehrere Augenblicke starrte Tarjanian den Feldhauptmann an, bevor er schließlich willentlich eine lockere Haltung einnahm. »Zehn sollen mir gerade recht sein«, gab er dreist zur Antwort.
Brakandaran bezweifelte nicht, dass Tarjanian mit voller Absicht zurücksteckte. Bangigkeit stand nämlich nicht in seinen Augen. Er gab keineswegs klein bei, weil er die Peitsche fürchtete. Während man Tarjanian abführte, verstärkte Brakandaran den magischen Sichtschutz, um ihm keinen Anlass zu einem neuen Zornausbruch zu bieten. Ihm war völlig klar, dass Tarjanian sich über ein Wiedersehen nicht gerade freuen würde, und die Zeit war noch nicht reif, um mit ihm in Verbindung zu treten.
Die Nachricht, dass Tarjanian vom Strang verschont geblieben war, hatte die Rebellen in Testra erreicht, während sich der abtrünnige Hüter noch unterwegs zur Bannschaft befunden hatte. Die von Meister Draco ausgesäten Zweifel hatten erwartungsgemäß bei den Rebellen Früchte getragen. Und es war noch ärger gekommen: Immer häufiger hoben die Hüter Rebellen aus, deren Beistand für die Sache der Heiden eigentlich als gut gehütetes Geheimnis galt. Nur ein Mann hatte der Schwesternschaft so viele Namen ausplaudern können. Als zudem die Neuigkeit eingetroffen war, dass Tarjanian noch lebte und man ihn zu lediglich fünf Jahren Verbannung nach Grimmfelden verurteilt hatte, hatte für die Rebellen festgestanden, dass er der Verräter sein musste. Ein so milder Urteilsspruch ließ sich unmöglich ernst nehmen. Für die Begriffe der Aufständischen war es undenkbar, in Tarjanian etwas anderes als einen schmutzigen Verräter zu sehen. Andernfalls wäre er der Folter unterworfen und öffentlich aufgeknüpft worden, und man hätte seinen Kopf zur
Weitere Kostenlose Bücher