Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
fortgesetzt über Songards übles Geschick nachgrübelte, den Weg zu Meisterin Khiras mehrere Straßen entferntem Wohnsitz an. Mittlerweile war Khira im Haus des Bannschaft-Oberaufsehers eine häufige Besucherin. Crisabelle war hocherfreut gewesen zu erfahren, dass es inzwischen eine Heilerin in Grimmfelden gab, und hatte die Fülle ihrer ärgerlichen Grillen sogleich um etliche eingebildete Krankheiten ergänzt.
»Warum so trübselig?«
R'shiel schrak auf, als sie die Stimme hörte. »Brakandaran ...!«
»Aha, du entsinnst dich an mich. Ich dachte schon, du hättest unsere gemeinsamen Abenteuer vergessen.«
»Was tust du hier?«
»Ich bin Meisterin Khiras getreuer Diener.« Brakandaran gesellte sich an ihre Seite und fasste den zweiten Griff des Weidenkorbs, um dessen Gewicht zu teilen.
R'shiel warf ihrem unerwarteten Begleiter einen argwöhnischen Blick zu. »Du wechselst deinen Broterwerb recht oft, oder? Seemann, Rebell und jetzt Diener, alles im Zeitraum eines Jahres.«
»Mir wird's im Leben rasch langweilig.«
»Halte mich für keine Närrin, Brakandaran.«
»Nichts liegt mir ferner«, versicherte Brakandaran. »Wie fügst du dich in dein Leben als Sträfling?«
»Ich habe nicht vor, lange genug zu bleiben, um mich fügen zu müssen.«
Er sah sie an. »Du brauchst nur den Wunsch zu äußern, R'shiel, und wir verschwinden aus Grimmfelden, wann du es willst.«
»Verschwinden?«, wiederholte R'shiel höhnisch. »Wohin, Brakandaran? Zurück in den Weinberg, damit mir die Rebellen, weil ich Tarja geholfen habe, die Augen ausstechen? Oder lautet dein nächster Vorschlag, auch ihm ein weiteres Mal die Flucht zu ermöglichen?«
Brakandaran gab keine Antwort. Er trug mit ihr den Korb auf den Vorbau und rief nach Khira. Die Heilerin kam aus dem schummrigen Innern ihres Kräuterladens zum Vorschein, wischte sich am schneeweißen Kittel die Hände und lächelte, als sie R'shiel sah.
»Sei mir gegrüßt, R'shiel. Was führt dich zu mir? Du wirst doch nicht krank, oder?«
»Crisabelle möchte noch etwas von dem Zeug haben, das Ihr ihr das letzte Mal gegen ihr Kopfweh gegeben habt.«
Bevor sie antwortete, wechselte Khira einen Blick mit Brakandaran. »Es ist wieder die Zeit ihrer Abendfestlichkeit, stimmt's? Komm herein und trink etwas Warmes, während ich mich um die Zubereitung kümmere.«
R'shiel folgte der Heilerin hinein und setzte sich nahe dem mit allerlei Kram behäuften Ladentisch auf einen Hocker. Khira betätigte sich mit Krügen, Pulver und kleinen Gewichten und maß sorgsam die Bestandteile des Mittels ab, das Crisabelles »Kopfweh« Abhilfe schaffen sollte. Brakandaran verschwand in die hinteren Räumlichkeiten und kehrte wenig später mit einem Becher dampfenden Tees wieder. R'shiel schlürfte den Tee und schaute sich neugierig in dem kleinen Kräuterladen um, der voll gestopft war mit Gefäßen aller Art und getrockneten Pflanzen. Er erinnerte sie an Wendells Apotheke in der Zitadelle. R'shiel hielt sich gern bei Khira auf, saß im Laden und atmete die vielerlei Gerüche und Düfte ein. Sie fragte sich, ob die Heilerin, so wie Brakandaran, wohl eine Heidin war.
Inzwischen setzte Brakandaran seiner Meisterin einen zweiten Becher Tee vor. »Wie ich hörte«, sagte er zu ihr, »hat Loclon erneut eine Court'esa geprügelt.«
Khira hob den Blick und schnitt eine finstere Miene. »Gegen den Mann müsste endlich vorgegangen werden.«
»Songard war's, aber sie mag ihn nicht zur Anzeige bringen«, erklärte R'shiel. »Sie befürchtet, dass er ihr großen Ärger bereiten könnte und alles noch schlimmer würde.« Auf dem hölzernen Vorbau erklangen Schritte. Unwillkürlich verkrampfte sich R'shiel bei dem Geräusch. Streng genommen durfte sie während der Botengänge nirgends herumsitzen und plaudern. Eine Gestalt erschien an der Tür, und R'shiel stieß ein erleichtertes Aufseufzen aus.
»Dacht ich's mir doch, als ich dich in diese Richtung laufen sah«, sagte Dace. »Versteckst du dich vor dem Drachen?« R'shiel war nicht einmal bekannt, wo Dace eigentlich sein Zuhause hatte, doch auf alle Fälle verhielt es sich so, dass er stets in der Nähe war; überall begegnete man ihm mit der gleichen Duldsamkeit, die man sonst einem liebenswerten, streunenden Hund erwies. R'shiel war sich vollauf dessen bewusst, wie tief sie in der Schuld des Burschen stand. Ohne ihn wäre ihre Verbannung unerträglich geworden. Daces größter Vorzug musste allerdings nicht in seiner lässigen Ungezwungenheit oder seiner
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