Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
Harshini irgendwie darüber Aufschluss erhalten haben.
»Woher weißt du davon? Wer hat es dir erzählt?«
»Wem hast du es anvertraut, R'shiel? Du behauptest, ich wüsste es von Tarjanian Tenragan, aber du hast ihm gegenüber niemals etwas erwähnt, stimmt's?«
»Wie kannst du über diese Angelegenheiten Bescheid wissen?«
»Ich kenne sie, weil jeder halb menschliche Harshini vor Erreichen der körperlichen Reife die gleichen Prüfungen zu durchleiden hat. Deine Erlebnisse sind nichts Einmaliges, R'shiel. Hättest du im Sanktuarium gelebt, wo man verstanden hätte, was du ertragen musstest, wäre alles leichter für dich gewesen. Ich kann dir diese Vorgänge erklären.«
»Was kannst du erklären?«
»Beispielsweise deinen Widerwillen gegen Fleisch«, antwortete Shananara. »Gemeine Menschen können Fleisch essen, wir Harshini hingegen nicht. Diese Abneigung hängt mit unserem Tötungsverbot zusammen. Aber auch Halb-Harshini werden dadurch ausschließlich beim Beginn der körperlichen Reife beeinträchtigt. Frage Brakandaran, falls du mir keinen Glauben schenkst. Er ist, gleich dir, halb Mensch.«
R'shiel nahm diese Neuigkeit mit lediglich geringer Überraschung auf; inzwischen war sie längst über Aufwallungen wie Schrecken und Ehrfurcht hinaus.
»Und das Kopfweh?«
»Halb menschliche Harshini können den Quell ihrer Magie-Kräfte erst im Lauf der Reifung erschließen.« Sobald sie R'shiels ratlose Miene sah, wölbte Shananara die Brauen. »Stell dir diesen Quell als eine Pforte in deinem Geist vor, die sich zu einem Strom magischer Gewalten öffnet. Bis zum Ausklang deiner Jugend bleibt diese Pforte unzugänglich. Sie aufzutun kann mühevoll sein. Den Grund weiß ich nicht, aber es steht fest, dass es sich meist so verhält. Deine Kopfschmerzen waren das Ergebnis der Bemühungen deines Geistes, die Pforte zu deiner Magie-Macht zu öffnen.«
»Dann zähle ich also wirklich und wahrhaftig zu euch?«
»Ja, R'shiel, es ist die Wahrheit.«
»Wer ist mein Vater?«
Shananara zögerte, bevor sie eine Gegenfrage äußerte. »Entsinnst du dich daran, was Dranymir sprach, als er dich begrüßte?«
R'shiel nickte. »Er hat gesagt: ›Gut getroffen, Eure Hoheit.‹ Aber warum, das kann ich mir nicht denken.« Im Rückblick wusste sie noch nicht einmal, weshalb sie sich dem Fluggeschöpf eigentlich genähert oder wie sie es über sich gebracht hatte, inmitten der vielen kleinen hässlichen, grauen Scheusale zu verharren, von denen sie plötzlich umschwärmt worden war. Sie erinnerte sich lediglich an den starken Drang, den wunderbaren Drachen zu berühren, und den anschließenden Wunsch, die Zuneigung der Dämonen auszukosten, die Sicherheit ihrer Gegenwart zu genießen, und die Tatsache, dass sie sich zum ersten Mal im Leben heil und ganz gefühlt hatte.
»Dranymir und seine Dämonenbrüder haben ein geistiges Band zum Geschlecht der té Ortyns. Sie hören den Ruf deines Blutes.« Kurz überlegte Shananara, ehe sie eine Frage stellte. »Wie alt bist du, R'shiel?«
»Zwanzig Jahre.«
Shananara nickte. »Demnach musst du im Jahre des Trugmondes geboren sein.« Sie verdrehte die Augen. »Ach, das ist ein Omen, wie man sich's nur wünschen kann. Zur Zeit deiner Geburt, R'shiel, lebten auf Erden nur zwei männliche té Ortyns: Mein Bruder Korandellen, der das Sanktuarium noch nie verlassen hat, und unser Onkel Lorandranek, den dort auf Dauer zu halten uns nie gelungen ist. Lorandranek war dein Vater.«
»Lorandranek«, wiederholte R'shiel. Der Name war fremdartig, aber dennoch hatte er für sie einen vertrauten Klang. »War er nicht Harshini-König, während die Schwesternschaft Medalon vom Götzendienst befreite?«
»Während die Schwesternschaft Medalon befreite?« Shananara schüttelte den Kopf. »O weh, wir haben noch einen langen Weg vor uns, wie? Aber ja, sei's drum, er war König zu der Zeit, als die Schwesternschaft Medalon ... befreite.«
R'shiel zog die Beine an und kauerte sich auf dem schmalen Schrankbett zusammen. Mittlerweile war ihr in ihrer Haut etwas wohler zumute. Endlich kannte sie ihre Vorgeschichte. »Das ist jetzt rund zweihundert Jahre her. Wie konnte er mein Vater werden?«
»Lorandranek war neunhundert Jahre alt, als er den Tod fand, R'shiel, und er war beileibe kein alter Mann. Du musst lernen, fortan nicht mehr in menschlichen Begriffen zu denken.«
»Ich bedauere, dass du an meinem Menschsein solchen Anstoß nimmst.«
»Ach, R'shiel, ich hab's nicht böse gemeint. Ich wollte damit
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