Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
ist so gefährlich, wie Elfrons Stab es war. Den einen Stab vernichtet zu haben hat die Gefahr für dich keineswegs verringert.« Sie zögerte, ehe sie weiterredete. »Die karischen Priester sind von unserer Art, R'shiel, denn einst, vor sehr langer Zeit, waren auch sie Harshini. Zwar ist ihre Ursprungssippe nahezu ausgestorben, doch Xaphista erhält das Band zu den Dämonen aufrecht, indem er seine Priester bei ihrer Weihe sein Blut trinken lässt. Seine Gläubigen nähren ihn, und er hat, glaub es mir, Millionen von Anhängern. Er steht, was seine Macht betrifft, einer Haupt-Gottheit nicht nach. Seinen Zorn zu erregen sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden.«
Die Vorstellung, noch einmal einem Xaphista-Priester zu begegnen, ließ R'shiel schaudern. »Was ist es, das ich lernen muss?«
Shananara stieß einen Seufzer aus. »R'shiel, hätten wir tausend solche Nächte vor uns, könnte ich dir nicht alles vermitteln, was du wissen müsstest. Du verstehst nicht den Unterschied zwischen einer Haupt-Gottheit und einem Nebengott. Du begreifst nicht die Natur der Dämonen, und du ersiehst nicht, wie sie mit den Harshini einen geistigen Bund bilden. Du erkennst nicht einmal das Abweichende zwischen dir und anderen Harshini.«
»All diese Mängel sind mir wohl kaum als Versagen anzulasten«, erwiderte R'shiel, die Shananaras Tonfall der Verzweiflung ein wenig verstimmte. »Was ist denn das Abweichende?«
»Die Unterscheidung liegt in deinem Blut. Gewöhnliche Harshini können nur einen Krug in den Strom der Magie-Kraft tauchen. Du und ich jedoch, wir sind té Ortyns. Wir sind dazu fähig, wenn es sein muss, den gesamten Fluss zu stauen und die ganze Kraft mit einem Mal anzuwenden, aber im Gegensatz zu meinem Bruder und mir gestattet dein menschliches Blut es dir, sie einzusetzen, um jemanden zu schädigen, ja zu vernichten. Begreifst du nun die Gefahr?«
Unsicher nickte R'shiel. Noch hatte sie große Bedenken, ob sie derartige Angelegenheiten überhaupt verstehen konnte.
»Innerhalb der Frist, die uns diese Nacht setzt, kann ich dich in nur zweierlei Dingen unterrichten: wie du die Magie-Kraft geistig zu schöpfen und wie du sie einzusetzen vermagst. Aber du musst diese Kenntnisse erwerben, ehe der Morgen dämmert. Also lass uns beginnen.«
Gegen Morgen glaubte R'shiel ausschließlich eine Gewissheit zu haben: dass sie die Harshini-Magie niemals beherrschen könnte. Shananara hatte ihr gezeigt, wie es möglich war, diese Kräfte anzuzapfen. Sobald R'shiel sich deren unverwechselbare Eigenheiten eingeprägt hatte, erwies es sich als erschreckend leicht, sie gewissermaßen zu ergreifen wie ein Werkzeug: Sie brauchte nur die Pforte in ihrem Geist zu öffnen und Magie-Kraft in sich überfließen zu lassen. Hinter der Pforte wartete auf sie die gleiche rauschhafte Machtfülle, von der sie durchströmt worden war, als sie Loclon angegriffen hatte. Kaum dass sie ihr Zutritt in ihren Geist gewährt hatte, drängte sie nach Freisetzung. Der erste Versuch raubte ihr die Sinne, sodass Furcht sie packte. Shananara bestand jedoch darauf, dass sie weiter übte, und im Lauf der langen Nacht lernte R'shiel tatsächlich - wenn auch unter unsäglicher Anstrengung -, aus dem Strom der Magie-Kraft zu schöpfen, das Geschöpfte zu bändigen und sich davon zu trennen, die Pforte zu schließen.
Der Erfolg wurde in unterschiedlicher Stärke sichtbar, reichte von einem schwachen Kribbeln längs der Wirbelsäule, als sie anfangs die Magie nur spüren, aber nicht erreichen konnte, bis hin zu einer heftigen Entladung, welche die Trümmer der karischen Barke vollends zerstörte. Wäre Shananara nicht wachsam gewesen und hätte sie die frei werdende Kraft nicht zu einer Stelle gelenkt, wo sie keinen Schaden anrichtete, so hätte R'shiel stattdessen leicht Maeras Tochter versenken können. Die Fardohnjer, Tarja, Ghari und Brakandaran standen eine unruhige Nacht durch, weil sie nie wussten, wo diese unzulänglich bezähmte Magie-Kraft das nächste Mal einschlagen mochte. Sogar die Dämonen suchten sicheren Abstand, während Shananara R'shiel wieder und wieder dazu anhielt, sich im Schöpfen und Ablassen der Harshini-Magie zu üben.
Fast war es hell geworden, als Shananara zu guter Letzt eingestand, R'shiel in allem, was in der verfügbaren Zeitspanne zu vermitteln gewesen war, unterwiesen zu haben. R'shiel fühlte sich zerwrungen wie ein frisch gewaschenes Laken. Ihr Haar war schweißnass, und jedes Glied ihres Körpers tat ihr weh.
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