Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
über von dem Klatsch, der nach dem Arena-Duell in der Zitadelle umlief. Junie und Kilene zufolge war die Verletzung, die Tarja Fähnrich Loclon zugefügt hatte, zwar vorzüglich behandelt worden, jedoch sollte in seinem Gesicht eine schauerliche Narbe zurückbleiben, eine Aussicht, die sämtliche Seminaristinnen gleichermaßen in Entzücken und Grausen versetzte. Allgemein überwog in der Zitadelle die Auffassung, zwar sei es jammerschade, einen so gut aussehenden Fähnrich für den Rest des Lebens derartig entstellt zu sehen, aber er hätte es vermutlich nicht anders verdient. Kilene behauptete, Georj wäre tot gewesen, bevor man ihn aus der Arena geschafft hatte. Sicherlich wäre es ganz schlimm, lautete ihre Meinung, einen so schrecklichen Tod zu erleiden, aber er hätte es sich schließlich selbst zuzuschreiben. Am liebsten hätte R'shiel sie erwürgt.
Kilene betrachtete die Hüter lediglich als eine Art kriegerische Kerle, die nur zur Unterhaltung und einer gelegentlichen Liebschaft taugten. R'shiel störte sich sehr an den Beschränkungen, die Schwester Gwenell ihr auferlegt hatte, und verwünschte die eigene Schwäche. Sie weigerte sich, Kilenes Wort zu glauben, dass man keine Absicht hege, Loclon wegen Mordes anzuklagen.
Junie versprach ihr, sich genauer zu erkundigen, ehe sich die Mädchen verabschiedeten. Ihre Bemühungen, R'shiel aufzuheitern, hinterließen bei ihr nichts als tiefe Niedergeschlagenheit.
Sie brütete zwei Tage später noch immer missgestimmt über ihr Gerede nach, während sie sich auf der Terrasse des Spitals, die Ausblick auf den Garten bot, auf einer schmiedeeisernen, mit Kissen überhäuften Liege entspannte. Zum Schutz gegen den kühlen Herbstwind hatte sie sich in eine Decke gehüllt und las eine belanglose Schrift, die Junie ihr gegeben hatte. Da stattete endlich auch Tarja ihr einen Besuch ab.
Er trug den roten Stehkragen-Waffenrock, und seine frisch gewichsten Stiefel glänzten. Als er neben der Liege auf einem Lehnstuhl Platz nahm, maß R'shiel ihn mit ungnädigem Blick, weil es sie ärgerte, dass er sich so lange Zeit gelassen hatte, sie zu besuchen.
»Nur zu«, maulte sie ihn an, bevor er ein einziges Wörtchen äußern konnte, »sag mir ins Gesicht, wie schrecklich ich aussehe.«
»Du siehst wirklich nicht allzu gut aus, aber seit dem letzten Mal, als ich dir begegnet bin, hat sich deine Erscheinung verbessert. Wie fühlst du dich?«
»Es geht wieder einigermaßen«, antwortete R'shiel. »Mutter hat mir geraten, gesund zu werden, wenn mir mein Leben lieb ist. Demnach bleibt mir wohl keine Wahl.«
»Das klingt mir ganz nach Frohinia«, sagte Tarja. »Wahrscheinlich verstößt sie dich, wenn du nicht gesund wirst.«
»Manchmal wünsche ich mir, sie täte es«, murmelte R'shiel; sie litt noch immer unter der Hartherzigkeit, die Frohinia ihr gegenüber an den Tag gelegt hatte.
»Weißt du, es hat tatsächlich gewisse Vorzüge, verstoßen zu werden«, stimmte Tarja zu.
Aufmerksam schaute R'shiel ihn an, aber in seiner Stimme klang keine Bitternis mit. »Weshalb hasst sie dich, Tarja?«
Tarja zuckte die Achseln. »Tja, warum wohl? Davon abgesehen, wen schert's?«
»Mich.«
Er ergriff ihre Hand. »Ich weiß, R'shiel. Das kommt daher, dass es in dir einen Teil deiner selbst gibt, den Frohinia, wie sehr sie sich auch abmüht, anscheinend nicht nach ihrem Gutdünken umgestalten kann. Ich hoffe, sie wird niemals Erfolg haben.«
Weil Tarjas Zuwendung sie verlegen machte, zwang sich R'shiel zu einem bösen Blick. »Du willst doch nicht andeuten, mein lieber Bruder Hauptmann, aus mir könne keine tüchtige Schwester werden?«
»Nach allem, was ich höre, R'shiel, kannst du von Glück reden, wenn du es bis zum Blau schaffst.«
»Es ist nicht meine Schuld.«
»So, nicht?« Man merkte Tarja gewisse Vorbehalte an.
»Ach, vielleicht doch«, gestand sie. »Bloß kann ich mich nicht daran entsinnen, jemals gefragt worden zu sein, ob ich überhaupt Schwester werden möchte. Frohinia hat einfach unterstellt, es sei mein Wunsch.«
»Und was soll aus dir werden, falls du nicht die blaue Kutte anziehst?«, fragte Tarja. »Du bist für alles andere vollständig ungeeignet. Dafür hat Frohinia gesorgt.«
Einige Augenblicke lang überlegte R'shiel. Was täte
ich, wenn ich mich weigerte, den Weg zu gehen, den Frohinia mir mit solcher Deutlichkeit vorgezeichnet hat? Sie empfand die Tatsache, dass sie auf diese Frage keine Antwort wusste, als beunruhigend. Vielleicht war das der Grund,
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