Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
darüber im Klaren, dass die jungen Frauen bis weit nach Mitternacht ohne Aufsicht bleiben sollten, hielten sich die Hüter in der Nähe der Arena und warteten auf den ersehnten Augenblick, in dem die letzte blaue Gestalt außer Sicht verschwand.
An der Seite der Arena schaute R'shiel dem Tanz zu und bewegte unbewusst im Takt der Musik den Fuß, während Junie und Kilene sie über den neuesten Klatsch der Dormitorien unterrichteten.
»Bei den Gründerinnen!«, entfuhr es Kilene plötzlich. »Da ist er.«
Weil Kilenes plötzlicher Ausruf R'shiel ein wenig befremdete, sah sie der Freundin ratlos ins Gesicht.
»Sie meint Davydd Schneider«, stellte Junie voller Überdruss klar. »Kilene träumt jede Nacht von ihm.«
»Wer ist es?« R'shiel kannte die Mehrzahl der Hüter, die ihre Laufbahn gemeinsam mit Tarjanian begonnen hatten, mit Namen, aber im Übrigen verfolgte sie die Geschehnisse im Hüter-Heer längst nicht mit der gleichen Hingabe wie ihre Freundinnen. Nachdem sie mehrere Wochen buchstäblich wie eine Gefangene in Frohinias Gemächern zugebracht hatte, war sie noch weniger als zuvor auf dem jüngsten Wissensstand.
»Der dort in dem roten Waffenrock«, sagte Kilene.
»Im roten Waffenrock?! Kilene, alle diese Männer tragen einen roten Waffenrock, du Närrin.«
»Du weißt schon, wie ich's meine. Er steht neben Luc Janeson. Nein, guck nicht hin!«
R'shiel hatte ebenso wenig eine Ahnung, wer Luc Janeson war, und im trüben Licht der Abenddämmerung ließ sich in der Vielzahl roter Röcke ein Hüter kaum noch vom anderen unterscheiden. Fassungslos blickte sie Junie an, die in Gelächter ausbrach. »Es dürfte besser sein, du schaust ihn dir heute an, R'shiel. Bis morgen Mittag hat sich Kilene in jemand anderes verliebt.«
»Sei nicht so gehässig«, fauchte Kilene gekränkt. »Ich werde ihn bis zum letzten Atemzug lieben.«
»Oder bis dir jemand über den Weg läuft, der dir besser gefällt.«
»Was ist denn so Besonderes an diesem ... Wie heißt er doch gleich wieder?«
»Fähnrich Davydd Schneider«, antwortete Kilene mit ehrfürchtigem Seufzen. »Er ist bei den Kundschaftern.«
»Und offenbar tatsächlich nicht unkundig«, sagte Junie, indem sie R'shiel zuzwinkerte. »Er meidet Kilene wie die Pest.«
»O nein! Er ist fort gewesen, sonst nichts.«
»Da du ihm nachhechelst wie eine läufige Hündin, ist es ein Wunder, dass er sich noch nicht freiwillig zum Dienst an der Südgrenze gemeldet hat.«
Hochmütig missachtete Kilene das Gespöttel und starrte hinüber zu ihrem Schwärm, ehe sie auf einmal R'shiels Arm schmerzhaft umkrallte. »Sie kommen zu uns«, keuchte sie in einem Gemisch aus Schrecken und Entzücken.
Endlich sah R'shiel den Angebeteten ihrer Freundin, der sich tatsächlich, begleitet von zwei anderen Fähnrichen, einen Weg durch die Tanzenden und sowie etliche hilfsbereite Bürger, die regelmäßig große Scheite zum Feuer schleppten, in ihre Richtung suchte. Inzwischen war die Sonne fast völlig gesunken, sodass Schatten die Gesichter der sich nähernden Hüter verdunkelten. Der von Kilene so über die Maßen verehrte Fähnrich erwies sich, sobald sich der Abstand genügend verringert hatte,
um ihn deutlich sehen zu können, als junger Mann mit durchschnittlicher Körpergröße und angenehmen, aber wenig einprägsamen Gesichtszügen.
»Wollt ihr tanzen?«, fragte er, indem er sich geschmeidig verbeugte. »Es wird zu kühl, um bloß herumzustehen und zu plaudern.«
Aus lauter Glück fiel Kilene beinahe in Ohnmacht. »O ja, gern.«
Eifrig trat sie vor und lief augenblicklich dem Fähnrich in die Arme, der zur Rechten Davydd Schneiders stand. Ohne Umschweife zog er sie, obwohl sie sich verzweifelt über die Schulter nach dem Gegenstand ihres Begehrens umschaute, zum Tanzplatz. Der junge Mann an Schneiders linker Seite griff sich mit vergleichbarem Schwung Junie und entschwand mit ihr ähnlich schnell.
R'shiel musste einsehen, dass man sie auf höchst wirksame Weise abgesondert hatte. »Eine nette Kriegslist, Fähnrich. Lernt man so was bei den Kadetten?«
»Ja, in der Tat«, gab er zur Antwort. »Das Verfahren wird Spalten und Bezwingen genannt. Aber du brauchst keine Angst zu haben, ich verfolge ausschließlich ehrenhafte Absichten.«
»Wirklich?«
»Tarjanian möchte mit dir reden.«
»Mein Bruder hält sich im Norden auf.« R'shiel hatte seitens Dutzender von Kadetten und Unterführern schon mancherlei dümmliche Sprüche zu hören bekommen, doch noch niemand war so dreist
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