Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
gewesen, sich auf Tarjanian zu berufen.
»Er ist im Lauf des heutigen Tages zurückgekehrt.
Wir beide sind's. Zusammen mit dem karischen Gesandten.«
»Wo befindet er sich denn?«
»In den Gewölben unterm Amphitheater. Er hat mich gebeten, dich zu ihm zu bringen.«
Einige Augenblicke lang forschte R'shiel in seiner Miene, ehe sie zu dem Schluss gelangte, dass er die Wahrheit sagte. Sie ließ ihn zum Stollen vorausgehen und fragte sich mehr neugierig als besorgt, weshalb Tarjanian wohl mit ihr sprechen wollte.
»Haltet Wache«, befahl Tarjanian dem Fähnrich. Wortlos nickte der Mann und verschmolz mit den Schatten. Versonnen blickte R'shiel sich um. Das letzte Mal, als sie in diesen Gewölben gestanden hatte, war Georj im Duell gegen Loclon zu Tode gekommen, und sie hatte beim ersten Einsetzen ihrer Monatsblutung die Besinnung verloren.
»Du siehst erheblich besser aus als vor einiger Zeit«, sagte Tarjanian, nahm sie bei der Hand und führte sie tiefer ins Innere der Gewölbe.
»Von dir kann ich das Gleiche nicht behaupten«, antwortete R'shiel, trat einen Schritt zurück und betrachtete ihren Bruder genauer. Er wirkte ausgelaugt. »Man könnte meinen, du hättest tagelang nicht geschlafen.«
»Habe ich auch nicht«, erklärte er müde. »Eben darin ist wahrhaftig die Ursache meines Zustandes zu sehen.«
»Steckst du wieder in Schwierigkeiten?«
»Noch nicht«, beteuerte Tarjanian mit mattem Schmunzeln. »Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.«
»Ich würde lachen, hätte ich nicht das schlimme Gefühl, dass du im Ernst sprichst. Was soll diese Geheimnistuerei? Wenn du dich mit mir unterhalten möchtest, brauchst du keinen Laufburschen vorzuschicken. Du hättest einfach zur Feier erscheinen können.«
»Ich bin in keiner Laune zum Feiern.« Tarjanian lenkte seine Schritte immer weiter in die düsteren Räumlichkeiten. Aus einiger Entfernung hörte R'shiel die leisen Laute eines Liebespaars, das sich unter verhaltenem Gelächter wiederholt gegenseitig zur Ruhe ermahnte. Offenkundig waren Tarjanian und sie heute Abend nicht die Einzigen, die hier unten die Abgeschiedenheit suchten.
»Also hast du mich holen lassen? Ich bin keiner deiner Untergebenen, Tarja. Du kannst mich nicht durch die Gegend schicken, als wäre ich ein Kadett.« R'shiel merkte, dass in ihrem Tonfall übertriebener Ärger mitschwang, und selbst aus ihrer Sicht war es schwerlich gerecht, ihren Verdruss an Tarjanian auszulassen; je näher jedoch das Konzil rückte, um so stärker verstörte sie der Gedanke an das, was geschehen mochte, wenn Frohinia sich ans Verwirklichen ihrer Pläne machte.
Es hatte den Anschein, als fiele ihre Unleidlichkeit Tarjanian gar nicht auf; er besah sich flüchtig die Spitzen seiner verkratzten, staubigen Stiefel, dann schöpfte er tief Atem und blickte ihr ins Gesicht. »Ich muss dir etwas sagen, R'shiel. Es wird wohl nicht leicht für dich sein, es zur Kenntnis zu nehmen, aber es ist dein Recht, davon zu erfahren.«
»Wovon faselst du überhaupt?« R'shiel konnte sich keine Mitteilung vorstellen, die eine solche Vorwarnung begründet hätte. Sonst hatte Tarjanian sich noch nie in rätselhaften Andeutungen ergangen.
Er holte noch einmal gründlich Luft, bevor er zur Sache kam. »Frohinia ist nicht deine Mutter.«
Sie starrte ihn an. »Was?«
»Du bist nicht Frohinias Tochter.«
»Welch ein Blödsinn! Natürlich bin ich ihre Tochter. Was ist bloß in dich gefahren?«
Tarjanian lehnte sich ans Mauerwerk und verschränkte die Arme vor dem Brustkorb. »Deine Mutter war ein Mädchen namens J'nel Schneeweiß. Sie wohnte westlich von Testra in dem Dorf Heimbach droben in den Heiligen Bergen. Bei deiner Geburt ist sie gestorben.«
»Das ist ja lächerlich.« Erregt machte R'shiel ein paar Schritte weit ins Dunkel. »Daran stimmt nur, dass ich in Heimbach geboren wurde. Mutter hat daraus kein Geheimnis gemacht. Sie war schwanger, als sie Testra verließ.«
»Nein, sie war's nicht«, widersprach Tarjanian. »Richtig ist, dass sie in dem Jahr in Heimbach überwintert hat. Im Frühling hat sie dich nach Testra mitgenommen und behauptet, du wärst ihr Kind. Aber in Wahrheit bist du nicht ihre Tochter, R'shiel.«
Diese Aussage schien R'shiel zu weit hergeholt zu sein, als dass sie ihr Glauben schenken konnte. »Wenn es so wäre, warum hätte dann Hochmeister Jenga keine Veranlassung sehen sollen, die Vaterschaft zu leugnen?«
»Darauf weiß ich zu meinem Kummer keine Antwort«, bekannte Tarjanian.
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