Dämonenkind 01 - Kind der Magie.pdf
scheußlicher Tag, und Jenga freute sich auf die Wärme, die ihm die Kanzlei verhieß. Er hatte den Winter als ungewöhnlich lang empfunden.
Dagegen hatte sich die Stimmung in der Zitadelle seit dem schicksalhaften Konzil am Winteranfang, dessen bedeutsamstes Ergebnis Mahinas Amtsenthebung gewesen war - das erste Mal seit Menschengedenken, dass so ein Aufsehen erregendes Ereignis sich zugetragen hatte -, auf ganz erhebliche Weise gewandelt. In der Festungsstadt herrschte, von den Schänken bis hin zu den Dormitorien, von den Schwestern des Quorums bis hinab zum niedrigsten Schweinehirten, eine spürbare Spannung.
Weil Frohinia das dem karischen Gesandten gegebene Versprechen einhielt, befanden sich die Hüter ständig im Einsatz. Täglich zogen zu Ross oder zu Fuß Streifscharen in roten Waffenröcken zur Zitadelle hinaus, kehrten Tage oder Wochen später mit grimmigen Gesichtern und wortkarg mit Karren voller wehrloser Gefangener zurück, die man beschuldigte, Anhänger der heidnischen Gottheiten zu sein. Manche Festgenommene waren kaum dem Kindesalter entwachsen. Den Hütern ließ sich eindeutig ansehen, dass sie die Säuberung nicht billigten, aber ihr Hochmeister hatte in seiner Eigenschaft als Oberster Reichshüter einen Gehorsamsschwur geleistet. Mehr als einmal hatte Jenga einen Untergebenen zurechtweisen müssen, weil er Ansichten äußerte, die zu den heidenfeindlichen Unterdrückungsmaßnahmen der Ersten Schwester im Widerspruch standen. Dazu hatte er die leidige Pflicht.
Um die plötzliche Menge des Heidentums Angeklagter bewältigen zu können, hatte Frohinia ein Sondergericht mit Harith als Vorsitzender an der Spitze geschaffen, das sich ausschließlich mit der Aburteilung der Verdächtigen befasste. Allem zufolge, was Jenga beobachtet hatte, blieben die Gerichtsverfahren bloße Förmlichkeit, und ungeachtet der Umstände endeten sie stets mit dem gleichen Urteil. Die Verhaftung an sich galt als genügender Beweis, und am vierten Tag jeder Woche schickte man eine Kolonne angeblich überführter, allemal aber abgeurteilter Heiden in die Grimmfeldener Minen, wogegen es zuvor lediglich einmal im Monat erforderlich gewesen war, Häftlinge aus der Zitadelle in die Zwangsarbeit zu schicken. Jenga mahnte seine Männer fortwährend, sich gewissenhaft davon zu überzeugen, dass offenkundige, über jeden Zweifel erhabene Anzeichen der Abgötterei vorlagen, bevor sie jemanden ergriffen, Frohinia jedoch hintertrieb immerzu seine Anordnungen, indem sie sich selbst an die Hüter wandte und klarstellte, dass der bloße Verdacht genüge. Wo Rauch ist, pflegte die Erste Schwester gern zu sagen, da ist auch Feuer.
Im Anschluss an Mahinas Sturz war Wilem Cortanen, ihr Sohn, in aller Hast zum Kommandanten der Bannschaft Grimmfeldens ernannt und innerhalb weniger Tage - mitsamt seiner grässlichen Gattin Crisabelle sowie seiner, wie es vordergründig hieß, in den Ruhestand versetzten Mutter - aus der Zitadelle an den neuen Wirkungsort geschickt worden. Aus Jengas Warte hatte die gesamte unerfreuliche Angelegenheit immerhin einen kleinen Lichtblick. Man mochte Mahinas Verbannung bedauern, und es war allgemein bekannt, dass die Versetzung, obwohl Wilem für das künftige Amt über alle Grundlagen verfügte und sich zweifellos als tüchtiger Verwalter bewähren konnte, keineswegs seinen Wünschen entsprach; aber niemand in der Zitadelle, dessen war sich Jenga völlig sicher, vermisste Crisabelle.
Ritter Pieter war bis zum Vortag in Medalon geblieben. Am gestrigen Tag hatte er sich unter medalonischem Geleit auf den Weg nach Breitungen gemacht. Während des gesamten Winters hatte er sich in der Zitadelle aufgehalten, hauptsächlich um die Durchführung der Säuberung zu beobachten, aber auch aufgrund seines Wunsches, die Heimat auf dem Schiff anzusteuern. Schon dieser Absicht halber hatte er gar keine andere Wahl gehabt, als zu warten, während sein Schiff gegen die Strömung nach Norden fuhr und den nächsten Hafen anlief. Der Saran, der nahe der Zitadelle floss, war zu flach, um schiffbar zu sein. Zu guter Letzt war die Nachricht eingetroffen, dass das Schiff in Breitungen liege und man das Frühlingshochwasser zum vollen Vorteil ausnutzen könne, um die Heimkehr des Gesandten zu beschleunigen. Ritter Pieter war in der Zitadelle, wo er zu seiner hilflosen Verbitterung unter Elfrons achtsamer Aufsicht hatte leben müssen, lange genug durch Unleidlichkeit aufgefallen.
Im Laufe der drei Monate, die er in der Zitadelle
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