Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
so umtriebig geworden bist, habe ich häufiger in die Abläufe der Natur eingegriffen, als es im ganzen zuvorigen Jahrtausend geschehen ist«, gab der Gott mit ungnädiger Miene zur Antwort.
»Dann kann dieses eine weitere Mal keinen sonderlichen Unterschied bedeuten, oder?«
Cheltaran stieß einen Brummlaut aus. »Nun wohl, Dämonenkind, es sei, ich erfülle deinen Wunsch. Aber sei gewarnt. Es muss einen Ausgleich geben. Die Natur erstrebt ein gewisses Gleichgewicht. Mit jedem Mal, wenn du von uns verlangst, ihr Gleichgewicht zu stören, rückt der Tag näher, an dem der Ausgleich erfolgen muss.«
In seinem Tonfall schwang eine unklare Drohung mit, die bei R’shiel Beunruhigung auslöste. »Wenn es sich so verhält, beruht es nicht auf meinem Vorsatz.«
»Ich weiß, es ist nicht dein Wille. Aber du bist das Dämonenkind. Du bist selbst eine eigene Art von Naturkraft.«
Unvermittelt entschwand Cheltaran, ehe R’shiel noch etwas sagen konnte. Zunächst verwunderte sein plötzlicher Abgang sie, doch wenige Augenblicke später durchschaute sie den Grund, als das Portal des Tempels aufschwang. Stiefel stampften über den Mosaikboden heran, dröhnten vernehmlich durch die Halle. Sobald die Störenfriede aus dem Schatten ins Licht kamen, wandte sich R’shiel um. Sie erblickte Damins Reiterhauptmann Almodavar und einige seiner Männer.
»Euer Gnaden, Fürst Wulfskling fordert, dass Ihr unverzüglich in den Palast umkehrt.«
»So, fordert er?«, rief R’shiel verstimmt, indem sie dem Altar den Rücken zukehrte. »Was gibt es denn?«
»Ein Angriff auf den Palast hat stattgefunden. Prinzessin Adrina ist entführt worden.«
R’shiel knirschte einen gedämpften Fluch.
Als sie Almodavars Seite erreichte, war sie längst in Laufschritt verfallen.
25
Das Ausmass des Blutbads jagte R’shiel, als sie im Palast eintraf, einen bösen Schrecken ein. Blut hatte die weißen Marmorstufen bespritzt, Blut war auf dem gefliesten Fußboden des Hauptsaals verschmiert. An der Hafenseite des Palasts, wo sich Balkon an Balkon reihte, waren viele der Fenster, die Läden mit Diamanten-Muster aufwiesen, zertrümmert worden, ein wahrer Glitzerteppich aus Scherben und Splittern klirrte unter R’shiels und Almodavars Füßen, während sie sich an seinen Fersen hielt. An den Eingängen lagen jeweils mehrere Leichen, über die man nachlässig Tücher gebreitet hatte. Wie viele haben wohl den Tod gefunden? , fragte sich R’shiel. Und wofür?
Almodavar führte sie in einen schmalen Korridor, der vom Hauptsaal abzweigte und an einer Tür endete, auf der man in Gold das Wappen der Wulfskling-Sippe prunken sah. Jemand hatte dem Wolf einen Dolch ins Auge gestochen und die Klinge zur stummen Warnung in der Tür stecken lassen. Ohne den Dolch zu beachten, öffnete Almodavar die Tür und wich beiseite, um R’shiel den Vortritt zu gewähren. Die Hythrier, die sie und den Reiterhauptmann vom Sitz der Magier-Gilde in den Palast begleitet hatten, verteilten sich nahebei als Wächter.
»Was ist geschehen?«
Beim Klang ihrer Stimme hob Damin den Kopf; er wirkte über R’shiels Anblick sichtlich erleichtert. Aber in seinen Augen stand Härte, und seine inwendige Anspannung kam in der Verkrampfung der Schultern zum Ausdruck. Die übrigen außer Damin und Narvell anwesenden Männer, vermutlich ihre Unterführer, hatten sorgenvolle Mienen, doch gleichzeitig merkte man ihnen, wohl dank der Aussicht auf baldige Taten, eine gewisse erwartungsfrohe Erregung an. Als einzige Frau war Marla zugegen, die voller Ungeduld auf und ab schritt, während ihre Söhne auf Vergeltung sannen. Auf einem großen ovalen Tisch lagen Karten ausgerollt, deren Ecken man mit allen möglichen schweren Gegenständen niederhielt.
»Uns kam eine Nachricht zu, Tejay Löwenklau sei da und wünsche sich vor dem Betreten der Stadt mit uns zu beratschlagen«, erklärte Damin. »Wie sich herausstellte, war es eine falsche Mitteilung. Im Lauf unserer Abwesenheit erfolgte ein Angriff auf den Palast. Wir zählen noch die Toten.«
»Und Adrina?«
»Wir vermuten, man hat sie mit einem Kahn fortgeschafft«, lautete Narvells Auskunft. »Wir haben ein an der Balkonbrüstung ihrer Gemächer festgebundenes Seil entdeckt.«
»Es ist gut möglich, dass sie das Durcheinander genutzt hat, um fortzulaufen«, meinte Marla in patzigem Ton. »Ich habe dem Weib nie über den Weg getraut.«
Damin heftete einen unfreundlichen Blick auf seine Mutter. »Mir fehlt die Zeit für dein Gezänk, Marla.
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