Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
den Schatten außer Sicht geraten war, ehe sie sich abermals dem Stein zukehrte. Während sie alle Gedanken an sonstige Seher-Steine und Kristallsplitter verscheuchte, schluckte sie schwer – sie schien einen Kloß im Hals zu haben – und hob die Arme, legte die Handteller an den Gesteinsbrocken und zapfte die Magie-Kräfte an. Sie spürte, wie ihre Augen sich schwarz verfärbten, sobald die berauschend machtvollen Gewalten das gesamte Gewebe ihres Körpers durchflossen, und dachte an Korandellan.
Dämonenkind?
Erschrocken fuhr R’shiel zusammen. Ihr war zumute, als wären, seit sie die Hände auf den Stein gelegt hatte, Stunden verstrichen. Voll und ganz erfüllte sie die Magie-Kraft, und sie schlug die inzwischen gänzlich schwarzen Augen auf: In dem Stein war vor milchigem Hintergrund Korandellans Gesicht zu sehen. Er wirkte ausgezehrt.
»Korandellan …!«
Mein Anblick sollte dich nicht überraschen, Dämonenkind. Du bist es, die mich gerufen hat .
»Ich … ich weiß … Nur erstaunt es mich, dass ich Erfolg hatte.«
Du darfst nicht an dir zweifeln, R’shiel. Du bist zu viel mehr fähig, als dir bewusst ist .
»Es erfreut mich, das von Euch zu hören.«
Gönnerhaft schmunzelte der König. Wie kann ich dir helfen, mein Kind?
»Glenanaran, Farandelan und Joranara liegen ohne Besinnung da. Die Magier-Gilde wurde angegriffen, darum hatten sie zu deren Beschirmung eine magische Schutzglocke errichtet. Kurz vor meiner Ankunft sind sie aus lauter Entkräftung zusammengebrochen, und mir will es nicht gelingen, sie aus der Ohnmacht zu wecken. Rein äußerlich haben sie allem Anschein nach keinen Schaden genommen, doch erwachen sie schlicht und einfach nicht.«
Sorge trübte Korandellans Miene. Ein so beträchtliches Maß an Magie-Kräften heranzuziehen, war unklug von ihnen. Für so hohe Ansprüche fordern die Götter stets einen Preis .
»Die Götter? Ihr meint, ihre Bewusstlosigkeit ist als eine Art Bestrafung zu verstehen?« R’shiel fühlte in sich Zorn aufwallen und zwang ihn nieder. Da Korandellan mit ihr in geistiger Verbindung stand, wäre es für ihn eine herbe Unannehmlichkeit, bei ihr so schroffe Empfindungen zu erleben. »Aber was kann ich tun, um Abhilfe zu leisten?«
Leider sehe ich keine andere Möglichkeit, als sich unmittelbar an Cheltaran selbst zu wenden .
»Den Gott der Heilkunst? Ich kenne ihn ja gar nicht.«
Aber er kennt dich, Dämonenkind. Ich bin mir gänzlich sicher, dass er deinen Ruf beachten wird .
Flüchtig flackerte sein Abbild, und R’shiel zog den Rückschluss, dass seine Kraft im Nachlassen begriffen war. Diese Schlussfolgerung beunruhigte sie aufs Stärkste. Korandellan gebot allemal über die gleichen Magie-Kräfte wie sie, und obendrein hatte er weit bessere magische Kenntnisse und Fertigkeiten. Die Belastung durch das geistige Band blieb sehr gering; sie konnte ihm unmöglich abträglich sein. »Seid Ihr wohlauf?«
Ich bin lediglich müde .
»Wie könnt Ihr müde sein? Ihr seid der König der Harshini.«
Dein Vertrauen in mich flößt mir frischen Mut ein, R’shiel . Korandellan entbehrte der Gabe des Lügens, aber er konnte ausweichende Antworten daherreden.
»Was bedrückt Euch so?«
Korandellan seufzte, er mochte anscheinend nur widerstrebend über seine Bürde sprechen. Die Mühsal, das Sanktuarium aus der eigentlichen Zeit fern zu halten, macht mir zu schaffen .
»Weshalb unterlasst Ihr es nicht einfach? Niemand kennt den Ort des Sanktuariums.«
In der gewöhnlichen Zeit könnten Xaphistas Priester uns mit Leichtigkeit zu finden. Diese Gefahr muss vermieden werden .
»Sie entdecken das Sanktuarium ohnehin, sobald Eure Kraft erlischt.«
Folglich muss ich darauf bauen, dass du uns der Bedrohung durch die Karier enthebst und es dir gelingt, bevor mich vollkommene Erschöpfung überwältigt . Korandellan hatte keineswegs den Vorsatz, auf sie Druck auszuüben; eine derartige, für Menschen eigentümliche Ungehörigkeit zu begehen, war ihm als Harshini fremd. Trotzdem fühlte sich R’shiel unter Druck gesetzt. Und ungerecht behandelt. Nie hatte sie darum gebeten, das Dämonenkind sein zu dürfen. Sie wollte sich keine Verantwortung für das Überleben der Harshini aufbürden lassen. Der König lächelte. Zu meinem Bedauern habe ich dir soeben die Last deiner Bestimmung schwerer gemacht. Doch bleibe unbeirrt, R’shiel. Letzten Endes wird alles so geschehen, wie der Wille der Götter es vorsieht .
Derlei Worte sagen mir überhaupt nichts , dachte
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