Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
sachlichem Tonfall, ganz so, als wiederholte sie bloß müßigen Klatsch aus der Nachbarschaft, während sie Loclon darüber aufklärte, dass seine Welt in Scherben fiel.
»Dann ist sie wohl noch da?«
»Wer? R’shiel? O ja, sie weilt noch in der Zitadelle.«
»Sie will mich töten.«
»Jeder Krieger des gesamten Hüter-Heers hätte wahrlich nichts anderes im Sinn, wüsste er, was Ihr getan habt«, sagte Meisterin Humbalda mit einer Selbstgefälligkeit, die Loclon als ungemein ärgerlich empfand. »Zum Glück für Euch glauben Eure Kameraden nicht an Magie, darum werden sie wohl kaum nach Vergeltung für Vorkommnisse trachten, die sie sich erst gar nicht vorstellen können.«
»Ist es Euch möglich, mich aus der Stadt zu schaffen?«
Meisterin Humbalda lächelte ein kaltes Lächeln hintersinniger Berechnung, bei dem es Loclon gruselte.
»Gegen ein gewisses Entgelt.«
»Wie hoch soll es sein?«
»Derlei Fragen beim Essen zu erörtern, ist schlechtes Benehmen«, antwortete die Meisterin, während ihr Blick durch den Raum schweifte und sie sich davon überzeugte, dass sich alles zu ihrer Zufriedenheit verhielt. Sie hatte Loclon in die Blaue Kammer legen lassen. Der bedeutungsschwere Hinweis, der sich darin verbarg, entging Loclon keinesfalls: Hier hatte er die Hure erschlagen … Wie war doch gleich ihr Name gewesen? Peny? In diesem Zimmer hatte Meisterin Humbalda das Druckmittel gefunden, um ihn zum Verräter zu machen. »Lieber wollen wir später darüber reden.«
»Wie kann ich zur Zitadelle hinausgelangen?«, fragte Loclon, indem er den Deckel von der Speise lüftete und wohlgefällig nickte. Er hatte das Gefühl zu verhungern.
»Durchs Tor freilich, wie denn sonst?«
»Aber hält man die Tore nicht wider das karische Heer verschlossen?«
»Grundsätzlich sehr wohl, aber am Morgen will man das Haupttor öffnen, um die karischen Gefangenen abziehen zu lassen.«
Erstaunt hob Loclon den Blick vom Tablett. »Man lässt sie ziehen?«
»Offenbar erwarten die Hüter, dass eine längere Belagerung bevorsteht.« Meisterin Humbalda zuckte die Achseln. »Den Gefangenen wurde gesagt, sie dürften die Stadt verlassen, und ebenso steht es jedem frei, dem es behagt, es ihnen gleichzutun. Dass die Herzöge die Freiheit wiedererlangen, bezweifle ich indessen, der karischen Besatzung jedoch will man sich entledigen. Ich sehe darin einen wahrhaft klugen Entschluss, denn dadurch gilt es weniger Leute zu ernähren.«
»Mit Sicherheit wird R’shiel mir auflauern«, sagte Loclon im Ton fürchterlichster Gewissheit voraus.
»Sehr wahrscheinlich.«
»Unfehlbar erkennt sie mich …«
»Keine Bange, Hauptmann, wir sorgen, was das Dämonenkind angeht, für Ablenkung.« Meisterin Humbalda strebte zur Tür und pochte zweimal dagegen. Lork benutzte zum Aufmachen einen Schlüssel.
Voller Verzweiflung begriff Loclon, dass er ein Gefangener war. Doch zumindest ein Gefangener mit einem gewissen Wert.
Nur lautete die Frage: Welche Gegenleistung gedachte Meisterin Humbalda ihm abzuverlangen?
45
Tarjanian teilte R’shiel eine Anzahl von Hütern zu, die sie bei der Fahndung nach Loclon unterstützen sollten. Er gab sich dabei sogar die Mühe, ausschließlich Männer auszusuchen, die Loclon vom Sehen kannten. R’shiel erachtete dieses Zuvorkommen als sinnvoll, doch genügte es ihr nicht, um ihm das Öffnen des Haupttors zu verzeihen; umso weniger gar, als sie erfuhr, dass er ihnen lediglich befohlen hatte, auf Loclons Erscheinen zu achten, indessen aber verboten hatte, den Abzug der Karier zu verzögern.
R’shiel hingegen hätte lieber jeden Menschen angehalten, der die Zitadelle zu verlassen beabsichtigte. Jeden Krieger und jeden Ritter wollte sie sich aus nächster Nähe anschauen, jeglichen Karren durchsuchen und jedweden Sack durchwühlen, ja unter jeden Weiberrock lugen, um zu verhindern, dass Loclon ihr entkam. Als der Befehlshabende der ihr zugewiesenen Hüter die von Tarjanian ausgesprochenen Befehle erklärte, vollführte R’shiel auf dem Absatz eine Kehrtwendung und eilte schnurstracks ins Kabinett der Ersten Schwester.
Tarjanian begegnete ihrem Zorn mit stiller Gefasstheit. Er trug einen neuen roten Waffenrock, auf dem man das Schwert-und-Schild-Abzeichen des Obersten Reichshüters sah. Schon vor Sonnenaufgang hatte sich das Kabinett der Ersten Schwestern mit Hüter-Hauptleuten gefüllt. Achtsam bildeten sie für R’shiel eine Gasse, mieden ihren Blick. Allem Anschein nach verstimmte es niemanden der Anwesenden,
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