Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
vielleicht gar das einzig Mutige, das er je getan hatte.
Er beklagte Frohinia Tenragans Tod nicht; sein Kummer ging mehr aus Verdruss als aus Bedauern hervor. Dass er einmal wahre Macht hatte auskosten dürfen, sollte sich wohl kaum wiederholen. Von nun an war er nichts als ein Flüchtiger.
Bei diesem Gedanken befiel ihn eine Anwandlung des vollständigsten Entsetzens. Er wusste genau, dass R’shiel nicht ruhen und rasten würde, bis sie ihn, den Flüchtigen, aufgespürt und dingfest gemacht hätte. Darum musste er schleunigst verschwinden; hinweg aus dieser Kammer, fort aus der Zitadelle.
Loclon versuchte den Kopf zu heben und merkte voller Schrecken, dass die Mühe ihn schier überforderte. Monate hindurch hatte sein Körper reglos im Bett gelegen, die Muskeln waren fast bis zur Unbrauchbarkeit erschlafft. Es fehlte ihm an Kraft, ja am Beherrschungsvermögen des Körpers, er war nicht einmal dazu fähig, zur Bettkante zu rücken.
Nie hatte Loclon die Befürchtung gehabt, sein Körper könnte im Laufe seiner geistigen Abwesenheit dahinsiechen. Er hatte gewusst, dass sein Leib lebte, und solange es dabei blieb, auch sein Ich am Leben blieb. Seitens Mathens war ihm versichert worden, dass die Priester für den Körper Fürsorge trugen, doch es war ihm nie erlaubt worden, ihn sich anzusehen; die Priester hatten behaupten, dieser Anblick müsste das Verfahren, das sie angewendet hatten – Zauberei oder was es gewesen sein mochte –, um seinen Geist in Frohinias Gestalt zu versetzen, unwirksam machen. Jetzt in diesem dürren, ausgezehrten Gerippe zu erwachen, das kaum noch genug Kraft hatte, um den Kopf vom Kissen zu heben, empfand Loclon als den allergrößten Hohn.
Wäre es von R’shiel so ausgeheckt worden, sie hätte ihren Vorsatz nicht besser ausführen können.
Die Drangsal ärgster Zeitnot überwältigte ihn, sodass für den Augenblick sogar die Verzweiflung über seinen nutzlos gewordenen Körper verflog. Gewiss war R’shiel schon auf der Suche nach ihm. Sie würde nicht aufgeben, bis sie ihn in ihre Gewalt gebracht hätte.
Wenn er an R’shiel dachte, vermengte sich seine Furcht mit Zorn. Dass sie auf diese Weise wiederkehrte, war eine Schweinerei, urteilte er, obwohl er selbst als Frohinia Tenragan alles Menschenmögliche unternommen hatte, um ihre Rückkehr – allerdings als Gefangene – zu erwirken. Doch hätten die Karier ihr Versprechen gehalten, wäre sie längst tot, nämlich in Schrammstein als Harshini-Hexe am Pfahl verbrannt worden. Aber nicht einmal den Kariern gelang es, ihrer habhaft zu werden, und wenn sie über hinlängliche Machtmittel verfügte, um dreist einem Gott zu trotzen, war Loclon nicht so töricht, sich einzubilden, er könnte allzu leicht ihrem Zorn entgehen.
Diese Einsicht befähigte ihn endlich doch zum Handeln. Mit einer durch äußerste Furcht ermöglichten Kraftanstrengung warf er sich seitlich aus dem Bett und prallte wuchtig auf den Fußboden. Zunächst keuchte er da nur vor sich hin; denn bereits diese geringe Mühe hatte ihn erschöpft. Bloß fünf Schritte entfernt sah er die Tür; doch der Abstand zu ihr glich für ihn einer breiten Schlucht.
Eine beträchtliche Weile lag er lediglich auf dem Boden und sammelte seine schwächlichen Körperkräfte, um die Entfernung zur Tür überwinden zu können. Er dachte an nichts anderes als an die Dringlichkeit seines Vorhabens. Einmal war er heute schon gestorben; dazu wollte er es am selben Tag kein zweites Mal kommen lassen.
Loclon stemmte sich auf die Ellbogen hoch und machte sich an die mühselige Aufgabe, den erlahmten Körper zur Tür zu schleifen. Kaum einen Schritt weit war er gelangt, als er aus dem Flur Schritte hörte. Das Erschrecken verlieh ihm neue Kräfte. Voller Angst schob er sich über die glatten Holzdielen.
Unversehens sackte ihm ein Arm weg, und er schlug mit dem Kinn auf den Boden. Schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen. Scheinbar weit fort ragte die Tür empor, trotz aller verzweifelten Plackerei schien er ihr gar nicht näher gekommen zu sein. Die Schritte erklangen lauter, kamen heran. Schweiß perlte über Loclons Stirn, seine Hände hinterließen, während er sich unsäglich abrackerte, auf dem Fußboden feuchte Abdrücke.
Ausgelaugt sank er nieder, seine Atmung röchelte. Tränen der Furcht und Enttäuschung trübten ihm die Sicht. Geradeso gut hätte die Tür sich am anderen Ende Medalons befinden können. Sie blieb ihm unerreichbar.
In einem der nächsten Augenblicke musste sie sich
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