Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
erkaltende Stirn, dann richtete sie sich langsam auf und wankte an Gevatter Tod vorüber. In der Nähe des Käfigs, in dem Xaphista steckte, sank sie auf die Knie.
Die Falle bewährte sich. Xaphista kauerte in der Mitte des Käfigs und hielt von der mit Magie-Kräften geladenen Vergitterung Abstand. Er wimmerte vor sich hin. Der magische Gehalt der eingearbeiteten Stabspitzen hatte ihn vor dem Rückprall geschützt, aber gleichzeitig verhindert, dass er daraus, als er sie am dringlichsten benötigte, neue Kräfte schöpfte. R’shiel hatte sich gesorgt, die Falle könnte unwirksam sein. Aber die Gewalt des Rückpralls, die auch den Käfig getroffen hatte, war streuender Natur gewesen. Kein Seher-Stein hatte sie geleitet, kein fester Willen sie gelenkt. Den Gott Xaphista gab es nicht mehr. Übrig blieb Xaphista der Dämon; gar nur ein kleiner, geradezu bedauernswert mickrig aussehender Dämon.
»Auch um ihn zu holen, bin ich gekommen«, sagte Gevatter Tod, indem er lautlos an R’shiels Seite trat. »In meinem Gewahrsam kann er weniger Unheil wirken.«
»Nimm nur seine Seele«, verlangte R’shiel und fasste Gevatter Tod fest ins Augenmerk. »Nicht den Körper. Ich möchte nicht, dass du ihn eines Tages aus reiner Langeweile zurückschickst.«
»Du bist reichlich anmaßend, Dämonenkind.«
R’shiel ließ den Blick durch den Saal, über Brakandarans Leichnam und Shananaras ausgestreckte Gestalt schweifen; dann schaute sie wieder Gevatter Tod an. »Ich habe es mir verdient, oder nicht?«
»Mag sein.«
»Aber Brakandarans Körper musst du mitnehmen. Brakandaran muss voll und ganz in deine Obhut gelangen.«
»Seine Seele ist schon fort, Dämonenkind.«
»Du bist Gevatter Tod. Du kannst beides aufs Neue vereinen.«
»Aus welchem Grund?«
»Weil die Götter es mir schulden.«
»Hast du weitere Wünsche?« Wäre R’shiel nicht so ausgelaugt gewesen, hätte Gevatter Tods leicht ungnädiger Tonfall ihr vielleicht Angst eingejagt.
»Ist es möglich, dass Brakandaran zu mir zurückkehrt?«
»Ich bin Gevatter Tod, Dämonenkind. Ich führe keinen Gasthof, in dem man nach Belieben kommen und gehen kann.«
Trotz dieser Antwort erachtete R’shiel es als bedeutsam, dass Gevatter Tod nicht rundheraus abgelehnt hatte. R’shiel rappelte sich auf und beschloss, es vorerst dabei bewenden zu lassen. »Darf ich dir, bevor du gehst, eine Frage stellen?«
»Du darfst.«
»Wie viele Höllen gibt es?«
Falls die Frage Gevatter Tod überraschte, ließ er es sich nicht anmerken. »So viele, wie es Geschöpfe gibt, die sich Höllen ausdenken, Dämonenkind. Ich selbst erschaffe keine Höllen. Jede Seele erzeugt, wenn sie es will, ihre eigene Hölle. Sie ist ihre eigene Ursache dafür, ob sie nach dem Tod Leiden oder Freuden erwarten.«
»Und wie erreiche ich es, dass jemand leidet?«
»Auch das Böse findet stets seinen Lohn, Dämonenkind.«
In dem Glauben, ihn verstanden zu haben, nickte R’shiel. Gevatter Tod wandte sich ab und schenkte seine Beachtung Xaphista. Der Dämon erbebte unter seinem Blick, sackte plötzlich erschlafft gegen das Käfiggitter. Es konnte seinem runzligen Leib nicht mehr schaden; die Seele war ausgeflogen. Anschließend drehte sich Gevatter Tod um und breitete die Arme aus. Wortlos sah R’shiel zu, während Brakandrans lebloser Körper durch den Saal schwebte, bis er in Gevatter Tods Umarmung lehnte.
Dann entschwand Gevatter Tod ohne ein weiteres Wort, ließ R’shiel in dem riesigen, leeren Saal stehen. Sie hörte, dass sich Shananara regte, und schleppte sich, als trüge sie einen Mantel der Taubheit und Trauer, der den Schmerz fern hielt, zu der Harshini-Königin, um ihr behilflich zu sein.
Sie taumelten hinaus in hellen Sonnenschein. Großes Durcheinander war in der Zitadelle ausgebrochen. Menschen bevölkerten die Straßen, Hüter übertönten das allgemeine Stimmengewirr mit laut gebrüllten Befehlen. R’shiel und Shananara verharrten auf der Freitreppe und blickten über das Gewirr. R’shiel hatte den Arm um die Königin geschlungen, aber ganz klar war es nicht, wer eigentlich wen stützte.
»Du verstehst es allemal, Aufsehen zu erregen, teure Base«, meinte Shananara mit mattem Lächeln.
R’shiel half ihr die Stufen hinab, und sie suchten sich durchs Gedränge der verstörten Menschenmenge den Weg zu den Schlafsälen. Mehrmals mussten sie sich an eine Mauer drücken, wenn Gruppen berittener Hüter vorbeisprengten. Als sich erneut eine Abteilung Reiter näherte, befahl ihr
Weitere Kostenlose Bücher