Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
dass ihr gesamter Körper sich aus innerlicher Anspannung verkrampft hatte. Durch die Zitadelle und die umliegenden Ebene gellte wirres Geschrei der Fassungslosigkeit und des Schreckens.
Sie wandte sich Xaphista zu, blickte jetzt auf ihn hinab, denn der Dämon war nicht mehr größer als Dranymir.
Und da gewahrte sie ihn: den Rückprall.
»Brakandaran!« Als sie nach dem Magus schrie, klang ihre Stimme nach weit mehr als gewöhnlicher Verzweiflung. Weder hatte sie das Vermögen, um zu vollbringen, was nun nötig war, noch standen ihr die erforderlichen Kräfte zu Gebote. Mit Brakandaran verhielt es sich vollauf gegenteilig. Bewegt durch Brakandarans Geist, nicht seine Fäuste, flog der roh geschmiedete Käfig, den die Hüter-Schmiede hergestellt hatte, durch die Luft. Anfassen hätte er ihn so wenig können wie R’shiel. Mit einem Krachen stülpte sich der Käfig über den Dämon, der kurz zuvor noch ein Gott gewesen war – und wieder eine Gottheit werden könnte, sobald seine Jünger sich in großen Mengen von neuem zu ihm bekannten. Erst zeterte Xaphista aus Empörung, dann jedoch, als seine Hände die Gitterstäbe des Käfigs packten, kreischte er aus schierem Schmerz. Die Spitzen dreier Xaphista-Stäbe, die dem Schmiedewerk eingearbeitet worden waren, saugten seine Kraft so verlässlich auf, wie sie die kleine Dämonin gemartert hatten, die in die Gefangenschaft seiner Geistlichen geraten war, nachdem R’shiel das Quorum hatte glauben machen wollen, eine Dämonen-Verschmelzung sei die Erste Schwester.
Und dann rammte sie der Rückprall mit voller Wucht.
R’shiel prallte heftig auf den Fußboden, hörte nur beiläufig, dass Brakandaran nach ihr rief, sah nur trübe, dass neben ihr auch Shananara zusammenbrach. Xaphista wütete gegen die Vergitterung des Käfigs an. So ungeheuer ereilte die Gewalt des Rückpralls R’shiel, dass sie die Besinnung verlor, ehe sie sah, ob ihre Falle hinreichte, um Xaphista festzuhalten.
60
Als R’shiel schliesslich erwachte, stand Gevatter Tod an ihrer Seite.
Im Saal herrschte Stille; die Götter waren allesamt fort. Durch die Buntglasscheiben der Fenster leuchtete Tageslicht farbenfroh auf den Fußboden. R’shiels Schädel pochte, ihr Leib fühlte sich ausgelaugt und zerschlagen an. Ihr war, als wäre sie unter einem eingestürzten Haus begraben worden.
»Muss ich nun sterben?«
Gevatter Tod schaute sie an und schüttelte den Kopf. Auch dieses Mal hatte der Gevatter die Gestalt eines Harshini gewählt, das gleiche angenehme Äußere angenommen, mit dem er Korandellan in sein Reich geleitet hatte.
Erschrocken begriff R’shiel, was die Verneinung bedeutete, und stemmte sich trotz ihres Zustands empor. Nicht weit von ihr lag totenblass Brakandaran. Er atmete nicht mehr. Auf allen vieren kroch sie zu ihm, schüttelte ihn, aber er zeigte keinerlei Lebenszeichen.
»Du hast ihn schon fortgebracht!«, schrie sie vorwurfsvoll, während ihr Tränen übers Gesicht rannen.
»Es lag am Rückprall, Dämonenkind. Er hatte auf sämtliche Harshini nachteilige Auswirkungen.«
R’shiel blickte hinüber zu Shananara, die gleichfalls reglos auf dem Fußboden des Saals lag. »Sind etwa alle Harshini tot?«
»Nein. Die Zitadelle duldet nicht, dass innerhalb ihrer Mauern ein Harshini stirbt. Die Harshini stehen unter ihrem Schutz. Sämtliche Harshini außerhalb der Zitadelle befanden sich zu weit entfernt, um beeinträchtigt zu werden, und haben das Geschehen nur am Rande gespürt.«
»Und die Menschen?«
»Der Rückprall hatte auf sie keinen Einfluss. Allemal nicht in körperlicher Hinsicht. Ausschließlich Mischlinge schwebten in Gefahr.«
»Dann habe ich Brakandarans Leben ausgelöscht«, sagte R’shiel matt. Zum Glück betäubte die Erschöpfung ihre Gefühle.
»Brakandaran hat schon vor geraumer Frist sein Leben für deines geboten, Dämonenkind. Er ist willig gestorben.«
R’shiel betrachtete Brakandaran; noch immer mochte sie sich mit seinem Opfergang nicht abfinden. Er hatte es nicht verdient, für sie sterben zu müssen. »Bist du gekommen, um ihn zu holen?«
»Genau das lag in meiner Absicht, Dämonenkind. Allerdings hast du die Seele ohne den Leib auf den Todesweg geschickt.«
»Nun aber kannst du seinen Körper mit dir nehmen, ja?«
Gevatter Tod musterte sie, enthielt sich aber jeder Antwort. Plötzlich befürchtete R’shiel, dass er eine Antwort geben könnte, die sie nicht hören wollte. Sie beugte sich vor und gab Brakandaran einen Kuss auf die rasch
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