Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
ledrigen Kopf zur Seite. Beunruhigt schielte Mikel über die Schulter. Obwohl sich im Schankraum ausschließlich Heiden-Rebellen aufhielten, verstand er beim besten Willen nicht zu beurteilen, wie sie sich betragen mochten, falls sie das Geschöpf bemerkten. »Du musst fort«, beharrte er daher, verlegte sich diesmal aufs Medalonische, weil er hoffte, dass das Wesen diese Sprache beherrschte. »Geh zu R’shiel.« Als R’shiels Name fiel, äußerte der Dämon aufgeregte Schnatterlaute. »Sei doch still …«
»Mit wem tuschelst du, Mikel?«
Verlegen fuhr Mikel herum. »Mit niemandem, edle Herrin. Ich … ich wähnte, ich hätte unter dem Holzstoß etwas gehört.«
»Vermutlich sind es Ratten«, meinte R’shiel halblaut. »Hast du deine Mahlzeit verzehrt?«
»Ja, edle Herrin.«
»Dann leg dich zum Schlafen nieder, Mikel. Wir brechen in aller Morgenfrühe auf.«
Mikel richtete sich aus der Hocke auf und trat, ohne sich noch einmal nach dem Holzstoß umzublicken, zu R’shiel. »Soll ich zuvor ein letztes Mal nach den Pferden sehen, edle Herrin?«
Zerstreut lächelte R’shiel ihm zu. »Wenn du es für richtig hältst …«
Mikel wagte sich hinaus in den starken Regen und eilte hinüber zum benachbarten Stallgebäude. Während die Regengüsse herabprasselten, erhellten Blitze den Nachthimmel. Als er das schwere, hölzerne Stalltor hinter sich zuwarf, war er pitschnass und schlotterte vom Scheitel bis zur Sohle.
»Um draußen zu sein, junger Freund, ist es eine gar schlimme Nacht.«
Beim Klang der Stimme fuhr Mikel zusammen, wirbelte herum und starrte verkniffen in die Finsternis. Die Stimme gehörte einem alten Kerl, der auf einem Heuballen saß. Er trug einen zerschlissenen dunklen Mantel und schmauchte eine lange Pfeife, aus der ein süßlicher, Mikel verschwommen vertrauter Duft quoll. Argwöhnisch musterte Mikel den Alten. Er sah wie ein heimatloser Wandervogel aus, der im Stall vor dem Unwetter Schutz gesucht hatte, weil er zu arm war, um sich eine Kammer im Gasthof leisten zu können. »Wer bist du?«
»Ein Freund.«
»Ich kenne dich nicht.«
»O doch, du kennst mich sehr wohl, Mikel.«
»Woher weißt du meinen Namen?«
Der Alte lächelte und erhob sich mit einer Geschmeidigkeit, die seinem Alter widersprach, vom Heuballen. Er näherte sich Mikel; die langen, weißen Haare umwehten seine Schultern wie ein Wasserfall aus Seide. Im Dunkel des Stalls hatten seine Augen einen durchdringenden Glanz. »Tut nichts zur Sache, mein Junge. Ich wollte nur schauen, ob du wohlauf bist.«
»Wieso sollte dergleichen dich etwas scheren?«
»Ich achte auf all die meinen«, antwortete der Alte mit unverwandtem Lächeln.
Seinem Argwohn zum Trotz fühlte sich Mikel zu dem Weißhaarigen hingezogen. Ihm haftete irgendetwas überaus Verlockendes an, das Mikel den sehnlichsten Wunsch einflößte, sich ihm in die Arme zu werfen und ganz der Fürsorge und Herzlichkeit seiner Nähe hinzugeben. »Was willst du?«
»Nichts.« Der Alte hob die Schultern. »Mag sein, einen Augenblick deiner Zeit für mich beanspruchen. Eine Gelegenheit zum Plaudern. Du reist, wie ich sehe, gemeinsam mit dem Dämonenkind.«
»Wer hat dir das verraten?«, erkundigte sich Mikel.
Wieder lächelte der Alte. »Niemand musste es mir verraten, Mikel. Ich spüre ihre Gegenwart. Es ist für dich eine große Auszeichnung, dich zu ihren Freunden zählen zu dürfen.«
Bei diesem Lob schwoll Mikel die Brust. »R’shiel hegt zu mir Vertrauen.«
»Davon bin ich überzeugt. Damit wird dir eine in der Tat sehr seltene Ehre zuteil. Aber bereitet es dir keine Sorge, dass sie dich in ernste Gefahr führt?«
»R’shiel ist nur darauf aus …« Mikels Stimme verklang, als er begriff, dass er eigentlich gar nicht wusste, worauf R’shiel es abgesehen hatte. Der Alte schmunzelte und nuckelte stumm an der Pfeife. »Sie versucht«, sagte Mikel voller frischer Entschiedenheit, »ihrem Volk beizustehen.«
»Sie trachtet danach, deinen Gott zu stürzen.«
»Welchen Gott?«
Der Alte seufzte. »Es ist wahrhaftig eine tieftraurige Welt, wenn du so eine Frage stellen musst, Mikel. R’shiel verfolgt den Vorsatz, den Allerhöchsten zu vernichten. Allein zu diesem und keinem anderen Zweck ist sie gezeugt worden.«
»Weshalb sollte sie denn so etwas tun wollen?«
»Das muss keine Bedeutung für dich haben«, äußerte der Alte, indem er mit den Schultern zuckte. »Vielmehr ist es das Entscheidende, dass du ihr Beihilfe leistest. Plagt dich denn keine Sorge um deine
Weitere Kostenlose Bücher