Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
unsterbliche Seele?«
»Aber die anderen Götter sagen …«
»Ach ja, die anderen Götter. Tja, wer bin ich schon, dass ich in Abrede stellen dürfte, was die anderen Götter sagen? Da kann ich wohl nur eines tun, nämlich dich warnen.«
»Wovor warnen?«
»Vor den Folgen deiner Unterstützung des Dämonenkinds. Wenn die Zeit der Vergeltung kommt, wird dein Gott nicht vergessen haben, dass du ihm in den Rücken gefallen bist.«
Mikel klappte den Mund auf, um zu widersprechen, doch kein Wort drang aus seiner Kehle. Es stimmte , er war seinem Gott untreu geworden. Durch sein Handeln hatte er Dacendaran gehuldigt, dem Gott der Diebe, und er hatte Umgang mit der Liebesgöttin Kalianah gehabt. Und Gimlorie, der Gott der Musik, hatte ihn das Singen gelehrt.
»Ich wollte es doch gar nicht«, beteuerte Mikel mit zaghafter Stimme, die das Tosen des Gewitters beinahe übertönte.
Nun lächelte der Alte wieder und breitete weit die Arme aus. »Xaphista verzeiht dir, mein Sohn.«
Mikel schluchzte auf und lief zu ihm. Geschmiegt in die herzliche Umarmung des Alten, empfand er ein dermaßen überwältigend starkes Gefühl der Liebe zu seinem Gott, dass dagegen alles, was er in der Vergangenheit getan hatte, vollständig die Bedeutung verlor. Der Allerhöchste war der eine wahre Gott, der einzige Gott. Mit einem Mal konnte er nicht mehr verstehen, wie er diese Tatsache hatte übersehen können.
Nach einem längeren Weilchen versiegten seine Tränen, und er hob den Blick in die Augen des Alten.
»Was soll ich tun?«, fragte Mikel.
Mikel kehrte geradezu verzückt in den Gasthof zurück. Die Liebe zu seinem Gott erfüllte sein gesamtes Wesen, sein Verstand richtete sich ausschließlich auf die ihm zugefallene Aufgabe. Der Regen hatte nachgelassen, als er zurück in die verqualmte Schankstube huschte. Seine kleine Faust umklammerte den Griff des Dolchs. Ihn bewegten feste Entschlossenheit und die sichere Überzeugung, im Recht zu sein.
R’shiel saß noch am Tisch und sprach mit Mandah, doch hatte sich unterdessen ein Mann zu ihnen gehockt. Mikel konnte sie reden hören, aber die Stimmen klangen so gedämpft, als lausche er durch das Rauschen eines Wasserfalls.
»Die Hüter hegen die Absicht, den Gläsernen Fluss bei Testra zu überqueren«, erklärte R’shiel. »Wenn ihr sie an diesem Flussufer bei Vanaheim erwartet, könnt ihr ihnen mitteilen, welche Richtung wir genommen haben. Wir wollen hoffen, dass die Landstraßen frei sind, sobald die Hüter über den Fluss gesetzt haben, sodass sie schnurstracks nach Hythria ziehen können.«
Der Gastwirt musste ihre Darlegungen gehört haben. Er eilte durch die Schankstube – schob unterwegs Mikel beiseite – und verneigte sich, Bestürzung in der Miene, vor R’shiel. »Vergebt mir, edle Herrin, falls ich Euch missverstanden habe, aber es ist doch nicht etwa Euer Vorsatz, jene Männer durch die hiesige Gegend zu leiten?«
»Warum sollte ich dagegen Bedenken haben?«
»Die Karier werden ihnen nachstellen. Wenn sie womöglich glauben, wir verstecken Verräter, schlachten sie uns ab.«
Mandah maß den erregten Wirt mit einem belustigten Blick. »Woran, schon vor meiner Geburt hattest du hier Aufrührer zu Gast.«
»Das ist nicht wahr. Ich führe ein ehrenwertes Haus.«
Der Mann, der mit R’shiel und Mandah am selben Tisch saß, lachte ihn aus. »Du führst ein Dreckloch, wo’s von Flöhen und Ratten nur so wimmelt.«
»Aber wenn die karischen Priester davon erfahren … Und was mag den anderen Bewohnern Rhönthals zustoßen? Könnt Ihr die Hüter nicht auf einem anderen Weg nach Hythria schicken?«
»Es wird gewiss alles gut ausgehen, Woran«, versicherte Mandah dem Wirt.
Mikel näherte sich dem Tisch. Der Dolchgriff in seiner Faust fühlte sich warm und tröstlich an. Da fiel Mandahs Blick auf ihn, sie runzelte die Stirn. »Du liebe Güte, Kind, du bist ja völlig durchnässt.«
Daraufhin schaute auch R’shiel ihn an und schüttelte den Kopf. »Geh und stell dich an den Kamin, Mikel. Wenn du in diesen feuchten Sachen schläfst, holst du dir den Tod.«
Mikel gab keine Antwort. Er starrte das Dämonenkind an, erblickte in ihr nichts anderes mehr als die Frau, die gezeugt worden war, um seinen Gott zu stürzen.
»Mikel, was ist denn dir widerfahren?« Halb drehte sich Mikel um und sah hinter sich Jaymes stehen. Sein Bruder wirkte auf ihn wie ein Fremder. Alle Leute in der Schankstube schienen Fremdlinge zu sein. »Komm«, fügte Jaymes hinzu, »wir müssen
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