Dämonenkind 3 - Kind des Schicksals
hatte; sie wussten, wie man einem zahlenmäßig überlegenen Feind Unheil zufügte, ohne ihn in offenem Gefecht anzugreifen.
»Wir wollen in Hirschgrunden die Fähre verbrennen«, gab er bekannt, während die Umsitzenden ihn erwartungsvoll musterten. »Sind wir nicht innerhalb eines Monats zurück in Testra, verbrennt der dortige Hüter-Befehlshaber auch da die Fähre. Aber haben wir in Hirschgrunden Erfolg und befinden uns wieder am anderen Flussufer, erledigen ebenfalls wir diese Aufgabe in Testra.«
»Du glaubst, damit hindern wir die Karier daran, zur Zitadelle zu gelangen?«, fragte Ghari.
»Nein. Aber wir verzögern ihr Vorwärtskommen.«
Die Blicke, die sich die Männer zuwarfen, bezeugten eher eine gewisse Unsicherheit. Ulran, ein drahtiger, dunkeläugiger Mann aus Markburg, der geschickteste Messerkämpfer, den Tarjanian kannte, schaute sich im Kreis um und verschaffte sich einen Eindruck von der Stimmung seiner Gefährten, ehe er das Wort ergriff.
»Dadurch würden nicht allein den Kariern Nachteile erwachsen, Tarjanian. Von den Fähren hängt das Wohlergehen zahlreicher Menschen ab.«
»Was glaubst du denn, wie viel Handel und Wandel noch stattfindet, haben die Karier erst einmal den Fluss überschritten?«, hielt ihm Torlin entgegen. Er hatte das gleiche Alter wie Mandahs Bruder Ghari und zählte zu den Rebellen, die in Testra vorübergehend in Gefangenschaft gefallen und danach Tarjanian zur Nordgrenze gefolgt waren; ein schlanker, auffassungsfähiger Bursche wie er hätte allemal einen vortrefflichen Hüter-Krieger abgegeben.
»Torlin hat Recht«, stimmte ihm Rylan zu, einer der wenigen Hüter in Tarjanians kleiner Schar, ein verlässlicher, tüchtiger Krieger. »Auf dem Marsch in den Süden ernähren sich die Karier aus dem Lande, mit anderen Worten, sie fressen Medalon kahl. Wenn sie die Zitadelle erreichen, wird nichts mehr vorhanden sein, um Handel zu treiben.«
Zögerlich nickte Ulran, zeigte sich einsichtig. »Vermutlich wird es so sein. Bloß stört es mich, eine doch gänzlich brauchbare und nützliche Fähre zu zerstören.«
»Ach, wenn du so edel fühlst, Ulran, so geh nach dem Krieg hin und bau eine neue Fähre«, schlug ihm Harben mit breitem Grinsen vor. An Harben rieb sich Tarjanian in gewissem Umfang: Seine Begeisterung an Vernichtungstaten war so groß, wie seine Neigung, irgendetwas mit Ernstmut zu betrachten, gering war. Daher erinnerte er Tarjanian nicht ohne Grund an Damin Wulfskling.
»Fragst du nach meinem Gefühl, so habe ich die Befürchtung, wir sind allesamt Greise, wenn der Krieg endet«, entgegnete Ulran, ehe er sich erneut an Tarjanian wandte. »Wir brandschatzen also die Fähre. Und wie soll es geschehen?«
Als erhielte er auf seine Frage eine Antwort, zerrissen plötzlich vielfach gegabelte Blitze die Nacht, und lauter Donner hallte. Der Regen prasselte noch stärker herab und trommelte dermaßen heftig auf die mürben Schindeln des Bootshauses, dass Tarjanian im ersten Augenblick keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Er hob den Blick, schüttelte den Kopf und sah von neuem seine Männer an.
»Ich hatte gehofft, einer von euch könnte mit einem glanzvollen Einfall aufwarten.«
Der so schwer verwundete Fardohnjer, um den sich Mandah schon gesorgt hatte, starb kurz nach Mitternacht. In der Morgenfrühe des nächsten Tages hatte der Regen noch immer nicht nachgelassen, doch wusste Tarjanian, dass es keinen Aufschub geben durfte; deshalb begruben sie den Toten eilends im verschlammten Erdreich, packten ihre Siebensachen und setzten den Ritt fort.
Am Ende einer längeren, auf Karisch geführten Aussprache mit Filip fiel der Beschluss, dass die Fardohnjer südlich der Ortschaft warten sollten, während Tarjanian und seine Begleiter die Fähre versenkten. Im Fall einer Verfolgung sollten die Fardohnjer als Verstärkung eingreifen. Nach erfolgreich vollendetem Anschlag wollte man gemeinsam nach Testra reiten und ihn wiederholen, um auch dort die Fähre zu vernichten.
Tarjanians Rebellen hatten sich den Bart geschoren und trugen jetzt Hüter-Waffenröcke, und Mandah saß in der blauen Kutte der Schwesternschaft auf ihrer Stute. Als sie sich von den Fardohnjern trennten und in die Richtung des nördlichen Binnenhafen-Städtchens ritten, waren sie längst durchnässt bis auf die Haut und schlotterten vor Kälte.
In friedlichen Zeiten war Hirschgrunden ein ruhiger Ort, gegenwärtig jedoch überlaufen mit Flüchtlingen, die vor den im Anmarsch befindlichen
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