Dämonentor
»Wie komme ich überhaupt nach Milton Keynes?
Der erste Zug –«
Andy lächelt mich schelmisch an. »Wie Angleton schon
sagte – mit dem Helikopter. Das ist schließlich ein Code Blau. Schon
vergessen?«
Ich kehre also ins Besprechungszimmer zurück, schnappe
mir die Akten und meine Tasche, und schon bin ich auf dem Weg nach draußen.
Dort wartet der Wagen auf mich. Es dauert nicht lange, bis wir uns im Nordosten
Londons befinden, auf dem Weg nach Lippitts Hill, wo die Polizei ihre Hubschrauber
stationiert. Hier gibt es kein langes Warten an Check-In-Schaltern und
Flugsteigen. Wir fahren ganz einfach um das Hauptgebäude herum und gelangen so
zu einer Schranke. Dahinter liegt der Flugplatz. Dort zeigen wir unsere
Ausweise, und mein Chauffeur bringt mich bis zum Helikopter. Er parkt direkt
vor dem Warteraum und übergibt mich dann, bevor ich noch ganz verstanden habe,
was hier eigentlich passiert, der Hubschrauberbesatzung.
»Sie sind Bob Howard?«, will der Co-Pilot von mir
wissen. »Dann rein mit Ihnen.« Er hilft mir auf die Rückbank des
Twin-Squirrel-Helikopters, schließt den Sicherheitsgurt für mich, reicht mir
ein ziemlich großes Headset und stöpselt es ein. »In einer halben Stunde sind
wir da«, erklärt er mir. »Entspannen Sie sich einfach, schlafen Sie eine
Runde.« Er grinst mich hämisch an, schließt die Tür und nimmt vorne seinen
Platz ein.
Wirklich witzig. Ich habe vorher noch nie in einem
Hubschrauber gesessen. Mit dem Headset auf den Ohren ist es nicht ganz so laut,
wie ich erwartet hatte. Allerdings hatte ich mir auch immer vorgestellt, ein
Helikopterflug wäre ungefähr so gemütlich, wie in einem Ölfass einen Hügel
hinabgerollt zu werden, während Wahnsinnige mit Baseballschlägern auf die
Seiten einschlagen. Schlafen Sie eine Runde – sehr witzig. Stattdessen
vertiefe ich mich in die ach so geheimen Berichte der GAME ANDES REDSHIFT-Akte
und versuche, mich nicht zu übergeben, während wir über das morgendliche London
fliegen, das sich mir durch eine riesige Frontscheibe präsentiert.
BERICHT 1: Sonntag,
4. September 1892
KLASSIFIZIERUNG:
GEHEIM, Königliches Kriegsministerium,
11. September 1914
REKLASSIFIZIERUNG:
STRENG GEHEIM GAME ANDES,
Kriegsministerium, 2.
Juli 1940
REKLASSIFIZIERUNG:
STRENG GEHEIM REDSHIFT,
Verteidigungsminsterium,
13. August 1988
Meine
liebste Nellie, ich muss gestehen, seit meinem letzten Brief vor kaum einer
Woche ein gänzlich anderer Mensch geworden zu sein. Erfahrungen wie das
Martyrium, das ich mit ansehen musste, erleidet man wohl nur einmal. Würde
Derartiges öfter geschehen, wie sollte man es ertragen? Ich habe eine Gorgone
erblickt und kann mich glücklich und dankbar schätzen, noch am Leben zu sein,
um davon zu berichten. Doch zunächst möchte ich mich erklären, ehe Du Dir Sorgen
um mein Wohlergehen machst. Ich weiß, dass ich es wohl allein der göttlichen
Gnade meines Schutzengels verdanke, wenn ich heute in der Lage bin, meine
Erlebnisse zu Papier zu bringen.
Vergangenen
Dienstagabend speisten der Mehtar und ich allein – Mr. Robertson war verhindert
und Lieutenant Bruce musste nach Gilgut, um Proviant für seine bevorstehende
Expedition nach Lhasa zu beschaffen –, als wir auf einmal rüde unterbrochen
wurden. »Eure Heiligkeit!« Ein Läufer, atemlos vor Angst, warf sich vor uns auf
die Knie. »Ihr Bruder …! Eile ist geboten, ich flehe Sie an!«
Seine
Exzellenz Nizm ul Mulk sah mir mit dem für ihn so typischen kalten Blick in die
Augen. In seinem Herzen findet sich nicht viel Liebe für seinen missratenen
Bruder und das aus gutem Grunde. Während der Mehtar ein Mann feiner, wenn zu
Zeiten auch fragwürdiger, Empfindsamkeit ist, so kann man seinen Bruder wohl nur
als einen ungebildeten Wilden bezeichnen, der lediglich einen kleinen Schritt
vom Banditentum entfernt sein mag. »Was ist meinem Bruder widerfahren?«,
erkundigte sich ul Mulk.
Daraufhin
verlor sich der Läufer in einem wahren Wortschwall, dem ich kaum zu folgen
vermochte. Geduldig hörte der Mehtar zu – und runzelte dann besorgt die Stirn.
Er wandte sich an mich. »Wir haben ein … Leider ist mir das englische Wort
nicht geläufig, Sie müssen entschuldigen. Es handelt sich um ein Monster, das
in Höhlen wohnt und in Gebirgspässen meinem Volk auflauert. Mein Bruder ist
ausgezogen, um es zu erlegen, aber es scheint den Spieß umgedreht zu haben.«
»Ein
Berglöwe?«, fragte ich harmlos.
»Nein.«
Er blickte mich mit einem seltsamen Ausdruck in
Weitere Kostenlose Bücher