Dämonentor
mich
natürlich aufhorchen, aber das Seltsame ist, dass ich dann nicht mehr so gut
drauf bin.« Ich gieße noch ein bisschen mehr heißes Wasser über den Teebeutel,
stehe auf und öffne den Küchenschrank. Ah, noch genau da, wo ich es
hingestellt habe. Mein Tee erhält einen guten Schuss Jamaika-Rum. Noch
einen Löffel braunen Zucker und fertig ist der Zaubertrank. »Das männliche
Selbstwertgefühl ist ein Kuriosum. Es mag zwar die Größe eines kleinen
Kontinents haben, zerbricht aber bei der kleinsten Berührung. Willst du auch
etwas trinken?«
Pinky setzt sich vorsichtig und betrachtet mich wie
eine tickende Zeitbombe. »Warum siehst du das Ganze nicht mal etwas positiver?«
»Ich könnte das Ganze auch positiv sehen?«
»Ja, denn sie kommt immer wieder zu dir zurück«, sagt
er. »Vielleicht tut sie das alles, um sich selbst zu verletzen?«
»Um –« Ich halte inne; die höhnische Bemerkung, die
mir auf der Zunge liegt, kann warten. Wenn Mhari ihre Depressionen bekommt, hat
sie wirklich Depressionen. Ich kenne die Narben zur Genüge. »Darüber
muss ich erst einmal nachdenken«, erwidere ich.
»Tja«, sagt Pinky und ist recht zufrieden mit sich.
»Sieht das nicht schon viel besser aus? Sie tut es, weil sie depressiv ist und
sich selbst hasst. Mit dir oder irgendwelchen Unzulänglichkeiten deinerseits
hat es wenig zu tun. Und noch viel weniger mit deiner Männlichkeit, du
alter Schwerenöter. Du könntest ja mal selbst einen One-Night-Stand
ausprobieren. Damit würdest du sie vor die Wahl stellen.«
»Ist das deine Vorstellung von locker machen?«
»Weiß nicht. Ich habe mich noch nie eingehender mit
dem Brut- und Paarungsverhalten auseinandergesetzt«, meint er und spielt mit
seinem Schnurrbart.
»Vielen Dank, Pinky«, sage ich schwermütig. Er deutet
eine Verbeugung an, ehe er den Inhalt seines Glases leert. Ich schenke ihm
nach. Der Rest des Nachmittags versinkt in Nebel. Als ich am nächsten Morgen
aufwache, habe ich einen wahnwitzigen Kater und erinnere mich nur vage an ein
stundenlanges Gespräch mit Mhari, das in einem schrecklichen Streit endete. Und
jetzt bin ich allein.
Also alles beschissen, wie immer.
Zwei Tage später bin für einen Orientierungs- und
Objektivitätskurs im Mülleimer eingeschrieben. Nur Gott allein, Bridget und
vielleicht noch Boris – auch wenn er keinen Ton mir gegenüber darüber verliert
– wissen, warum ich bereits drei Tage nach meiner Rückkehr an einem
O&O-Kurs teilnehmen muss. Aber es ist wohl besser, wenn ich mich dort
blicken lasse, sonst kann ich vermutlich einpacken.
Der Mülleimer gehört nicht zur Wäscherei, sondern zum
normalen staatlichen Verwaltungsapparat. Also suche ich ein einigermaßen
ansehnliches Hemd samt Krawatte heraus – ich bin stolzer Besitzer zweier
solcher Kulturstricke, einer davon mit einem Mandelbrot-Muster, der besonders
wirkungsvoll Migräne auszulösen vermag – und ziehe noch ein Sportjackett über,
das auch schon bessere Tage gesehen hat. Wir wollen schließlich nicht
unangenehm auffallen, oder? Nach meinen Erfahrungen mit der Inquisition möchte
ich auf jeden Fall vermeiden, dass mein Name in Bridgets Umfeld in den nächsten
zwölf Monaten auch nur erwähnt wird. Auf dem Weg zur U-Bahn bemerke ich, dass
ich mich nicht rasiert habe und als ich schon im Zug sitze, fallen mir die zwei
verschiedenen Socken auf, die ich trage – einer braun, der andere schwarz. Na
ja, ich habe mir Mühe gegeben. Und wenn ich Besitzer eines Anzugs wäre, würde
ich ihn jetzt tragen!
Der Mülleimer ist unser Spitzname für ein großes,
überladenes postmodernes Gebäude am südlichen Ufer der Themse mit einer grünen
Glasfassade und einem großen luftigen Innenhof voll dekorativer Pflanzen. Im
Mülleimer ist eine bürokratische Organisation untergebracht, die für ihre
dreistündigen Mittagspausen und eine eindrucksvolle Liste von KGB-Agenten
berühmt ist.
Der Bau des Mülleimers hat den Steuerzahler
zweihundert Millionen Pfund gekostet. Das Gebäude rühmt sich eines wunderbaren
Ausblicks über die Themse und auf das Parlament. Und er ist voll stinkendem
Müll. Wir als loyale Diener der Krone und Verteidiger der Menschheit gegen
unzählige, unaussprechliche Horrorgestalten verschiedenster Dimensionen dürfen
hingegen weiterhin in einem muffigen viktorianischen Käfig mitten in Hackney
unseren Dienst verrichten. Diese Ungerechtigkeit wird dadurch erklärt, dass die
Wäscherei einmal Teil einer Schirmorganisation namens SOE war. Heutzutage
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