Dämonentor
mir sicher Alpträume auslösen, und ich
würde mich wundern, wenn das bei Mo anders wäre.
Ich entspanne mich also eine halbe Stunde lang in
einer heißen Badewanne, vertieft in einen Wälzer mit dem Titel Surreale
Logik und Navigation durch das Everett-Wheeler-Kontinuum, um beim
Abendessen zumindest mithalten zu können. Dann trockne ich mich ab, ziehe eine
frische Hose und ein kragenloses Hemd an und gehe nach oben an die Rezeption.
Mo wartet bereits an der Bar, ausgerüstet mit einer
Ausgabe der Herald Tribüne und einer Tasse Kaffee. Sie trägt dasselbe Outfit
wie bei unserem letzten Rendezvous. Als sie mich bemerkt, faltet sie die
Zeitung zusammen. »Wollen wir das indonesische Restaurant ausprobieren, an dem
wir vorbeigekommen sind?«, frage ich.
»Warum nicht?«, erwidert sie und trinkt ihren Kaffee
aus. »Regnet es?«
»Soweit ich weiß, nicht.«
Sie erhebt sich anmutig und zieht sich ihre Jacke an.
»Na dann, gehen wir.«
Es wird inzwischen immer früher dunkel, und die
Abendluft ist kühl und feucht. Der Weg zu dem indonesischen Restaurant, das wir
auf unserem Spaziergang entdeckt haben, ist nicht weit, wobei wir aufpassen
müssen, nicht von einem der zahlreichen, nur selten mit Licht ausgerüsteten
Radfahrer auf Amsterdams Straßen über den Haufen gefahren zu werden.
Im Restaurant hole ich als Erstes meinen neuen Palmtop
aus der Tasche und schalte das Antigeräuschsystem ein, sodass wir ungestört
reden können. »Hast du dir das von dem Besuch im Rijksmuseum erhofft?«, will Mo
wissen, während sie ihr Satay isst.
Ich tröpfele ein wenig Erdnusssauce über meinen Spieß,
ehe ich antworte: »Eigentlich hatte ich gehofft, genau das nicht zufinden.«
Sie sitzt mit dem Rücken zur Glasfront des Restaurants, sodass ich über ihre
Schulter hinweg eine gute Sicht auf die Straße habe. Ich bin etwas nervös, denn
unsere freundlichen Entführer scheinen die Dämmerung zu bevorzugen. Ich darf
nicht vergessen, was wir hier eigentlich tun: Wir stellen eine Falle und Mo ist
der Lockvogel – ein höchst attraktiver Lockvogel mit einem farbenfrohen Top,
großen Silberohrringen und einem schönen Lächeln. »Andererseits wissen wir
jetzt mit absoluter Sicherheit, dass wir es mit etwas sehr Unangenehmen zu tun
haben.«
Ihre Miene verdüstert sich. »Sag mir die Wahrheit,
Bob.«
Mein Mund wird auf einmal trocken. Vor diesem Moment
habe ich mich mehr gefürchtet als vor den Entdeckungen im Museum. »Was meinst
du?«
»Warum sind diese Leute hinter mir her?«
Ach, diese Wahrheit. Ich hole tief Luft. »Wegen
deiner … Forschungen. Und wegen der Dinge, mit denen du dich in den Staaten
beschäftigt hast.«
»Aber davon weißt du doch bereits.« Ich schaue Mo an
und frage mich plötzlich, wie viele Geheimnisse wir eigentlich voreinander
verbergen.
»Angleton hat mir davon erzählt. Die Schwarze Kammer
benachrichtigte uns, als man dich auswies. Schau nicht so überrascht. Deine
Theorie hinsichtlich Wahrscheinlichkeitsmanipulationen, Glücksvektoren,
Schicksalsquantisierung? Das ist zwar alles geheim, aber nicht – nein, was ich
wirklich sagen will: Die Amerikaner schätzen es zwar nicht, wenn wir unsere
Nase in ihre Angelegenheiten stecken, aber es findet auf verschiedenen Ebenen
ein Informationsaustausch statt.«
Ich versuche, das Fleisch einigermaßen elegant von dem
Spieß zu zerren. »Das alles ist für unser Gebiet sehr nützlich. Sogar das
Pentagon spielt damit. Wir haben es. Einige andere Länder mit Okkultismus-Operativen
machen ebenfalls Gebrauch von Schicksalsmanipulationsfeldern. Aber Männer wie
Yusuf Qaradawi kommen an so etwas noch nicht heran, ohne vorher ziemlich viel
Reverse Engineering zu betreiben. Um jedoch ein Skalarfeld zu generieren, das
in der Lage ist, Wahrscheinlichkeitsraten in einem lokalen Umfeld zu
beeinflussen – sodass zum Beispiel ein Selbstmordattentäter an einer ganzen Reihe
von Sicherheitsleuten vorbeispazieren kann, ganz so als ob sie nicht mehr
existierten – benötigt man zwei Theoretiker und ein oder zwei Außendienstler.
Okkult-Waffen sind viel mobiler und viel portabler, sodass man selbst die
Infrastruktur wesentlich leichter stehlen kann, wenn man Leute hat, die sie
verstehen und benutzen können. Aber da die meisten nicht von einer Regierung
beauftragten Aktivisten Kanonenfutter verwenden, das kaum aus den Windeln raus
ist, stellt das keine große Gefahr dar.«
»Aber –« Mo zieht das letzte Stück Fleisch von ihrem
Spieß und schiebt es sich in den Mund
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