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Dämonenturm - Band 1: Stein auf Schädel (German Edition)

Dämonenturm - Band 1: Stein auf Schädel (German Edition)

Titel: Dämonenturm - Band 1: Stein auf Schädel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Thier
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reichte. Allerdings war der Poet sich nicht ganz sicher, ob das unter den gegebenen Umständen gut war.
    »Seht! Da vorne!«
    Er packte den Ältesten an der Schulter und deutete voraus, vorbei an dem geschnitzten Schiffskopf, der eine lächelnde, aufgespießte Robbe darstellte, auf das Monument der Natur, welches sich vor ihnen aus den Wellen erhob.
    »Ah, die Klippen meint Ihr«, knurrte der Jarl. »Hättet Ihr doch gleich sagen können. Und jedes Schiff, das in ihre Sichtweite geht, sinkt, sagt Ihr?«
    »Ja!«
    »Nun, letztes Jahr ist uns das nicht passiert.«
    »Letztes … Jahr …?« Alagotis Stimme wurde schwach.
    Eine Weile stand er einfach nur da und starrte auf das Meer hinaus.
    »Soll das heißen«, fragte er schließlich, »ihr umfahrt das Kap des Todes, die gefürchtetste Landspitze aller freien Länder, jedes Jahr und habt noch niemandem davon erzählt? Warum? Um alles in der Welt, warum?«
    Schulterzuckend wandte der Jarl sich um.
    »Woher soll man wissen, dass sie so gefürchtet ist? Das hat einem ja niemand gesagt. Außerdem, wen würde schon interessieren, wo wir herumschippern?«
    »Wen es intere … Ehrwürdiger, alle Bänkelsänger Iakainors würden Eure Taten in herrlichen Liedern besingen!«
    Ein breites Grinsen erschien auf dem Gesicht des Ältesten und er hieb dem Poeten so kräftig auf den Rücken, dass der mit voller Wucht gegen die Reling krachte.
    »Siehst du, Bursche«, donnerte er, »Da hätten wir schon einen Grund, warum wir es niemandem erzählen. Ich gehe mich jetzt wieder hinlegen. Hab noch etwas Schlaf nachzuholen. Weck mich nicht, wenn du mich brauchst.«
    Er ging. Alagotis aber stand da, zu bemüht sein Gleichgewicht wiederzufinden, um sich darüber aufregen zu können, dass ein Mann, den er zu Hause nicht einmal in sein Vorzimmer gelassen hätte, angefangen hatte, ihn, den großen Hofpoeten, zu duzen. Angsterfüllt blickte er zu den hoch aufragenden Klippen vor ihnen auf. Gedanken schossen ihm durch den Kopf wie Armbrustbolzen durch Papier, nicht fähig in so etwas Substanzlosen zu verweilen.
    ‚Ach, ihr himmlischen Mächte’, dachte er, ‚lasst mich dies überleben. Bitte, lasst mich überleben. Muse der Dichtkunst, lass mich das überleben! Ich werde Gedichte schreiben wie ein Wahnsinniger, wenn ich das überlebe, und ich werde nie mehr falsch reimen.’
    Wenn er das überlebte … ja, er würde pausenlos Gedichte schreiben.
    Wenn er über die raue, graue See mit ihrem rauen grauen Himmel zurück in seine Heimat käme, würde nichts seine Schreibfeder aufhalten können. Über alles würde er schreiben! Er würde ein Gedicht über die Sonne schreiben! Er würde Lieder schreiben über Wälder, Vögel, Kornfelder, breite Flüsse in fruchtbaren Tälern! Er würde viele Lieder und Gedichte schreiben, er, der er sich immer noch seines frischen, sprudelnden Lebens erfreuen konnte! Wenn er nur überleben würde! Er würde über alles und jeden Gedichte und Lobpreisungen schreiben.
    Nur keine über Fels.
    Da war er sich absolut sicher.
    Ach, und auch über Wind nicht. Nein.
    Aber … er würde über Freundschaft schreiben. Ohne seinen gelehrigen Schüler mit der klaren Stimme und den sanften Augen hätte er diese Monate wohl nicht überstanden. Oder er hätte gar nicht erst die Chance dazu bekommen, wäre jetzt tot, versunken mit Kapitän Krak und Konsorten. Er würde zurückkehren um seinen Schüler zu befreien, das schwor er sich. Er würde zurückkehren auf diese verfluchte Insel.
    Er verpasste der verfluchten stinkenden Truhe von der verfluchten Insel einen Tritt und fluchte musenlästerlich. »Ich werde zurückkehren«, knurrte er. »Und ich werde ihn da herausholen, koste es, was es wolle!«
    »So viel würde es gar nicht kosten«, stöhnte die Truhe leise. »Und tu das nicht noch mal, mein Kopf tut mir so schon genug weh von dem dauernden Gestank, ohne dass du mir einen Tritt versetzt.«
    Der Poet erstarrte. Dann, ganz langsam, gegen seinen Selbsterhaltungstrieb ankämpfend, beugte er sich näher an die Truhe heran, hielt sich die Nase zu und flüsterte: »Mjir? Bift du daf?«
    »Ja. Aber sei um Himmels Willen leise! Niemand darf uns hören.«
    »Aber, aber – warum wiefo wefhalb und wie zum Dämon … du in dieser Kifte … ich meine …«
    »Es war schließlich deine Idee.«
    »WAF?«
    » Sprichleisersprichleisersprichleiser !«
    »Meine Idee? Wiefo denn daf?«
    »Ich erinnere mich genau daran. Du sagtest: ‚Warum kommst du nicht einfach mit.’ Das waren deine Worte.

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