Dämonisches Tattoo
durch, als er eine Frau in der Leitung hatte, die sich schließlich als Joseph Quinns Schwester zu erkennen gab.
»Es ist wichtig, dass ich mit Ihrem Bruder spreche, Miss«, sagte Chase nun mindestens zum dritten Mal.
»Das wollen zurzeit ziemlich viele.«
Hatte sich Frank im Ort blicken lassen und nach Quinn gefragt? »Wenn Sie mir nicht sagen wollen, wo ich ihn finde, dann übermitteln Sie ihm wenigstens eine Nachricht von mir.«
»Gar nichts werde ich ihm sagen«, schnappte sie. »Es interessiert mich nicht, was Sie und Ihresgleichen von ihm wollen. Ich weiß nicht einmal, wo er ist. Also lassen Sie uns in Ruhe!«
Chase war davon überzeugt, dass sie sehr genau wusste, wo ihr Bruder sich aufhielt. Die Frage war nur, wie er sie dazu bringen konnte, ihm zu helfen. Über die Zeugenaussage wollte er am Telefon nichts sagen, aus Furcht, Quinn würde sich dann auf keinen Fall bei ihm melden. Kate tippte ihn am Arm an. Er sah auf. Sie kritzelte etwas auf ein Blatt Papier und schob es ihm hin.
William Quinn.
Das war es!
»Ich weiß, was mit William Quinn geschehen ist.« Er hörte, wie sie Luft holte und den Mund öffnete, um ihm ins Wort zu fallen. Als jedoch der Name ihres Großvaters fiel, klappte ihr Mund hörbar zu. »Sagen Sie Ihrem Bruder, dass
er
ihn hat und ich seine Hilfe brauche, um ihn zu finden. Er weiß, was ich meine.«
»Sie wissen wirklich …?«
Ich vermute es.
»Ja.«
»Geben Sie mir Ihre Nummer. Wenn er sich meldet, werde ich ihm sagen, dass er Sie anrufen soll.«
Chase gab ihr seine Handynummer durch und lauschte dem Kratzen des Stifts auf dem Papier, als sie sie notierte. »Sagen Sie ihm, dass er sich von Cassell fernhalten soll – um jeden Preis.«
Dann beendete er das Gespräch. Er hätte erleichtert sein müssen, stattdessen fiel es ihm schwer, seine Frustration im Zaum zu halten. Einmal mehr hieß es, zu warten, statt zu handeln.
Die Untätigkeit machte ihn fast verrückt. Kate gab sich alle Mühe, ihn zu beschäftigen. Sie überredete ihn sogar zu weiteren Yogaübungen und leistete ihm dabei Gesellschaft, doch selbst die Atem- und Entspannungsübungen konnten ihn nicht zur Ruhe bringen. Immer wieder sah er auf das Handy, überprüfte, ob es eingeschaltet war, und wartete darauf, dass es endlich klingelte. Es grenzte an ein Wunder, dass er Kate mit seiner Rastlosigkeit nicht in den Wahnsinn trieb. Von Zeit zu Zeit, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, fiel die äußerliche Ruhe von ihr ab und er sah in ihren Augen dieselbe Unruhe, die auch ihn erfüllte. Sobald sie sich ihm jedoch zuwandte, hatte sie die Maske der Gelassenheit wieder aufgesetzt. Dafür war er ihr unendlich dankbar.
Bis zum Abend hatte Quinn sich noch immer nicht gemeldet. Als Chase schlafen ging, verzichtete er darauf, seine Klamotten auszuziehen. Womöglich rief Quinn an und er musste schnell bereit sein. Er legte das Handy neben sich auf den Couchtisch, wo er es sofort erreichen konnte. Doch es schwieg auch weiterhin.
27
Nehmen Sie das Messer.
Die Worte gruben sich in seinen Verstand, durchdrangen die Mauer des Schlafs und ließen Chase aufschrecken. Er öffnete die Augen, doch er fühlte sich nicht wirklich wach, als er aufstand, zum Messerblock ging und die Hand nach dem großen Fleischmesser ausstreckte. Er wollte es nicht anfassen – ein Teil von ihm wusste, dass etwas Schreckliches geschehen würde, wenn er es tat –, doch etwas befahl ihm, es zu nehmen. Seine Finger schlossen sich um den Kunststoffgriff. Es fühlte sich gefährlich an. Tödlich. Und richtig. So musste es sein. Das war es, was
er
von ihm erwartete. Ein metallisches Scharren erklang, als er die Stahlklinge aus dem Block zog.
Als er sich von der Arbeitsplatte abwandte, sah er deutlich den Weg vor sich, den er zu gehen hatte. Die Konturen seines vorgegebenen Pfads waren klar, während alles rechts und links davon hinter einem undurchdringlichen Schleier verborgen lag.
Mit dem Messer in der Hand ging er zum Schlafzimmer und öffnete vorsichtig die Tür. Seine nackten Füße sanken in den Teppich, der seine Schritte dämpfte. Langsam ging er auf das Bett zu und blieb daneben stehen.
Stoßen Sie zu!
Chase hob den Arm. Sein Blick heftete sich auf das Zielobjekt, suchte nach jener Stelle, an der er den tödlichen Stich ansetzen würde, und wanderte weiter nach oben.
Dieses Gesicht.
Er kannte dieses Gesicht.
Machen Sie schon!
Die Stimme in seinem Kopf wurde drängender.
Bringen Sie es zu Ende!
Chase’ Augen ruhten noch immer auf diesem
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