Dämonisches Tattoo
war es das eines vollkommen Fremden. Sein Blick war leer, beinahe leblos, doch in seinen Zügen lagen Entschlossenheit und Hass. Und eine Grausamkeit, die sie niemals zuvor an ihm gesehen hatte.
Ein Lichtreflex an seiner Seite zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Kates Blick folgte seinem Arm nach unten. Als sie das Messer in seiner Hand sah, sog sie scharf die Luft ein.
»Chase, was hast du vor? Wach auf!«
Als er weiterging, machte sie einen Schritt zur Seite, um dem Messer nicht zu nahe zu kommen. Einen Herzschlag später war er an ihr vorbei. Sie wollte nach ihm greifen, überlegte es sich jedoch anders, als ihr Blick einmal mehr auf die lange Klinge in seiner Hand fiel.
»Du schlafwandelst. Hörst du? Du musst aufwachen!« Sie schüttelte den Kopf. Es mochte gefährlich sein, Schlafwandler zu wecken, ganz besonders, wenn sie ein Messer in der Hand hielten, aber was, wenn es noch gefährlicher war, es nicht zu tun?
Sie griff nach seinem Arm, dem, mit dem er das Messer hielt, und versuchte ihn wach zu rütteln. Doch ganz gleich, wie sehr sie ihn schüttelte und auf ihn einredete, er reagierte nicht.
Sein Gesichtsausdruck.
Das Messer.
Konnte das wirklich Schlafwandeln sein?
Chase schob sie zur Seite, ohne sie dabei auch nur anzusehen. Er hob weder das Messer noch fügte er ihr sonst wie Schaden zu. Er ging einfach weiter. Kate heftete sich mit einem halben Schritt Abstand an seine Fersen.
Am hinteren Ende des Hofes lehnte ein windschiefer Holzschuppen an einer Mauer. Die Tür war nur angelehnt und aus dem Inneren strömte der Schein einer einzelnen Glühbirne durch den Spalt. Chase riss die Tür auf. Der erschrockene Aufschrei einer Frau durchbrach die Stille.
Kate spähte ihm über die Schulter und entdeckte die Frau, die sie aus der Bar hatte kommen sehen. Sie war gerade dabei, das Schloss ihres Fahrrads aufzusperren. Als sie den Mann sah, der mit dem Messer in der Hand auf sie zukam, wich sie nach hinten, bis eine Wand ihren Rückzug beendete. Sie schrie um Hilfe, doch niemand würde sie hören. Nachdem die letzte Bar geschlossen hatte, waren die Straßen leer gefegt. Dies war kein Wohngebiet, sondern eine Geschäftsgegend, in der sich vor dem Morgengrauen niemand mehr blicken lassen würde. Kate war die Einzige, die etwas tun konnte.
Als Chase einen weiteren Schritt auf die Frau zutat, drängte Kate sich an ihm vorbei und stellte sich zwischen ihn und die Frau. Sie konnte nur hoffen, dass Chase es sich nicht anders überlegte und ihr doch noch das Messer zwischen die Rippen stieß.
»Sobald der Weg frei ist, laufen Sie!«, raunte sie der Frau in ihrem Rücken zu, ohne Chase dabei aus den Augen zu lassen.
Er stand wie erstarrt vor ihr, den Blick auf ihre Augen gerichtet. Das faszinierende Grün seiner Pupillen lag noch immer hinter einem nebligen Schleier verborgen.
»Du musst aufwachen«, sagte sie mit aller Eindringlichkeit, die sie aufbringen konnte, doch der Nebel wich nicht aus seinen Augen. Sein Blick wanderte über ihre Schulter hin zu der Frau, die noch immer vor der Wand kauerte. Das Messer zuckte in seinen Fingern, eine angedeutete Aufwärtsbewegung, als wolle er ihr die Klinge in den Leib jagen, doch sein Arm blieb starr.
Das Messer! Sie musste es ihm abnehmen. Als sich ihre Augen erneut auf die blitzende Klinge richteten, wurde ihr mulmig. Bisher hatte er sie nicht angegriffen. Das konnte sich jedoch schnell ändern, wenn sie versuchte ihn zu entwaffnen. Trotzdem packte sie ihn mit der Linken am Gelenk seiner Waffenhand und versuchte ihm mit der Rechten das Messer zu entwinden. Er hielt den Griff so fest umklammert, dass es sich kein Stück bewegte. Kate versuchte seine Finger zu öffnen, die sich wie ein Schraubstock um die Waffe schlossen. Vergebens.
»Ich weiß nicht, was los ist«, sagte sie, ohne sein Handgelenk freizugeben, »aber ich weiß, dass das nicht du bist. Du willst weder mir noch sonst jemandem etwas tun. Das. Bist. Nicht. Du.«
Großartig, so etwas sagten sie in schlechten Filmen auch immer.
Ich bin ein wandelndes Filmklischee!
Nur dass sie nicht die Hauptdarstellerin eines B-Movies war, die ihren Liebsten aus der Beeinflussung eines Dämons retten wollte. Das hier war verdammt real. Sie wusste nicht einmal, was Chase dazu trieb, zu tun, was er tat.
»Chase, sieh mich an«, verlangte sie.
Sein verschleierter Blick blieb unverändert auf der Frau in ihrem Rücken haften. Kate redete weiter auf ihn ein, doch er schien sie nicht einmal zu bemerken. Selbst als sie ihn an
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