Dämonisches Tattoo
bewiesen, dass Sie kein Schaumschläger sind. Die Frage ist nur, sind Sie einfach ein Gutmensch, der unbedingt helfen will, oder haben Sie etwas anderes im Sinn?«
Quinns Beweggründe hätten ihm egal sein können – er brauchte seine Hilfe und hätte ihn ohnehin nicht mehr abweisen können, wie er es an jenem Tag getan hatte, als er in Franks Garten aufgetaucht war. Trotzdem musste er wissen, woran er bei dem Indianer war. Nur dann konnte er entscheiden, wie weit er ihm vertraute.
»Ich bin weder auf Publicity aus noch wollte ich Ihnen Ihre Zeit stehlen, Agent Ryan. Offen gestanden habe ich ein persönliches Interesse daran, dass dieser Drecksack gefasst wird.«
»Ach ja?«
»Nicht alle von uns leben abgeschieden im Reservat«, fuhr er fort. »Meine älteste Schwester zum Beispiel.« Nach einer kurzen Pause, in der er nicht zu wissen schien, wohin mit seinem Blick, sagte er: »Sie war sein erstes Opfer.«
Nicht sein erstes,
dachte Chase, der sich daran erinnerte, was ihm der Killer über seine Anfänge erzählt hatte. »Sie sind also auf Rache aus.«
»Gerechtigkeit«, korrigierte Quinn.
Ganz gleich, ob er es nun Rache oder Gerechtigkeit nannte, es war ein gefährlicher Antrieb, wie Frank unter Beweis gestellt hatte. »Wie lange wird es dauern, bis Sie versuchen werden mich umzulegen, um damit auch den Killer zur Strecke zu bringen?«
»Rache und Gerechtigkeit sind zwei verschiedene Dinge, das sollten Sie eigentlich wissen.«
»Manchmal sind die Grenzen fließend.«
»Ich will, dass er seine Strafe bekommt, aber ich gehe nicht über Leichen. Abgesehen davon …«
»… brauchen wir ihn womöglich lebend, damit er uns zu Ihrem Großvater führen kann«, vollendete Chase seine Überlegung. Es bestand die Möglichkeit, dass der Killer William Quinn in irgendeinem Loch versteckt hatte, in dem er nach dem Tod seines Entführers verhungern oder verdursten würde, wenn sie ihn nicht rechtzeitig fanden. Quinns Miene zeigte deutlich, dass ihm das ebenfalls bewusst war. Allein deswegen konnte Chase darauf vertrauen, dass er nicht versuchen würde ihn umzubringen.
»Warum so spät?«
Der Indianer runzelte die Stirn. »Was?«
»Wenn Ihre Schwester das erste Opfer war, dann ist das drei Jahre her. Warum melden Sie sich erst jetzt? Und warum haben Sie nicht auf eigene Faust versucht, ihn zu finden?«
Quinn winkte der Kellnerin und ließ noch einmal seinen Kaffee nachfüllen. »Ich habe lange Zeit nach Hinweisen gesucht«, begann er, kaum dass sie wieder gegangen war. »Und nach Möglichkeiten, diesen Mann«, das letzte Wort spie er aus wie eine giftige Wurzel, »zu finden. Erst letztes Jahr bin ich auf das Ritual gestoßen, doch es half mir nicht weiter, denn ohne das Blut des Gesuchten konnte ich nichts tun.«
»Und dann haben Sie in irgendeinem Bericht gehört, dass ein paar Blut- und DNA-Spuren sichergestellt werden konnten.«
Quinn nickte. »Die einzige Möglichkeit, daran heranzukommen, war, Kontakt mit Ihnen aufzunehmen.«
Es erstaunte Chase noch immer, dass Quinn damals damit zu ihm gekommen war statt zur Polizei – oder zu irgendjemandem sonst – zu gehen. »Und ich habe Sie abgewiesen.«
»Im Gegensatz zu Cassell. Während ich darüber nachdachte, wie ich Sie doch noch überzeugen oder wen ich an Ihrer Stelle für meine Sache gewinnen könnte, nahm er Kontakt zu mir auf. Für mich war das die Gelegenheit, auf die ich so lange gewartet hatte«, sagte er beinahe schon entschuldigend. »Ich wusste nicht, dass Sie das Tattoo bekommen sollten. Ich dachte, Cassell würde sich zur Verfügung stellen, und als ich in seine Wohnung kam, sah ich Sie auf dem Stuhl sitzen. Betäubt. Scheiße, natürlich ist es nicht gerade nett, jemandem gegen seinen Willen ein Tattoo zu verpassen. Mein Gott, was hätte ich denn tun sollen? Das war meine Chance auf Gerechtigkeit! Ich konnte doch nicht ahnen, dass dieser Cassell vollkommen irre ist!«
»Dann hätten Sie ihn sich mal ein wenig genauer ansehen sollen«, brummte Chase.
Quinn seufzte. »Ja, das hätte ich wohl.«
Nichtsdestotrotz konnte Chase den Indianer sogar verstehen. Wahrscheinlich hätte er an seiner Stelle nicht anders gehandelt.
»Ich dachte, Sie könnten das Tattoo danach mit einem Laser entfernen lassen – oder es gefällt Ihnen sogar und Sie behalten es.«
Chase lachte auf. »Weglasern? Haben Sie mir vorhin zugehört?« Er war ein wenig zu laut geworden. Rasch sah er sich um, doch niemand schenkte ihm Beachtung. Leiser sagte er: »Wissen Sie, wie
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