Dämonisches Tattoo
dazu gezwungen und hinterher versucht mich umzubringen. Mir blieb nichts anderes übrig als abzuhauen – und jetzt sind wir hier.«
Lombardi blinzelte. »Das ist Ihre Erklärung? Himmel, Ryan, selbst die Nachrichten sind in diesem Fall informativer!«
»Zugegeben, es war die Kurzfassung, aber –«
»Kurzfassung? Ein einzeiliger Slogan zu einem Kinofilm verrät mehr als Ihre sogenannte
Erklärung
.« Kopfschüttelnd sah sie ihn an. »Wissen Sie was? Allmählich glaube ich, dass Sie gar nicht versuchen mich abzuwimmeln, wenn ich mit Ihnen sprechen will. Sie können einfach nicht anders – irgendwie ist das Ihre Art, sich auszudrücken. Nur dass Sie jetzt zur Abwechslung einmal darauf verzichtet haben, mich auf das offizielle Statement zu verweisen.«
»Sie wollen die ausführliche Version? Sie werden sie bekommen.« Er griff nach ihrem Arm und zog sie zum Bett. »Setzen Sie sich. Und beschweren Sie sich hinterher nicht, wie schwachsinnig sich das alles anhört und dass Ihr Chefredakteur so einen Blödsinn niemals abdrucken würde.«
»Was? Aber –«
»Setzen und Mund halten!«
Sie ließ sich auf die Bettkante fallen und starrte ihn an. Die Klimaanlage schaltete sich ratternd ein und blies einen Schwall modrig feuchter Luft in den Raum.
Chase setzte sich ihr gegenüber auf das andere Bett. »An dem Tag, als Franks Frau ermordet wurde, kam ein Indianer zu mir und behauptete, er könne den Killer finden. Der Mann faselte etwas von Ritualen und Traditionen und davon, dass er imstande sei, eine Verbindung zu schaffen, die es uns möglich machen sollte, den Mörder zu finden.«
»Sie haben es ausprobiert?«
»Sehe ich aus wie jemand, der an Hokuspokus glaubt oder damit herumexperimentiert?« Er schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Frank wollte es versuchen, aber ich habe den Kerl in die Wüste geschickt.«
Er erzählte ihr, wie Frank gestern – war das wirklich erst gestern gewesen? – zu ihm gekommen war, um noch einmal mit ihm über den Indianer zu sprechen. »Er kann den Tod seiner Frau nicht verwinden, und die Vorstellung, dass sich ihr Mörder noch immer da draußen herumtreibt und weitertötet, muss unerträglich für ihn sein. Trotzdem habe ich ihm gesagt, er solle sich nicht in die Ermittlungen einmischen, und dabei nicht erkannt, wie besessen er von dem Gedanken ist, den Killer zur Strecke zu bringen.«
Vielleicht wollte ich es auch nicht erkennen.
Chase berichtete von seinem Besuch bei Frank und davon, wie Frank ihn unter Drogen gesetzt hatte. In knappen, sachlichen Worten, die er vermutlich auch für einen schriftlichen Bericht gewählt hätte, sprach er über die Anwesenheit des Indianers und das Ritual, in dessen Verlauf er zu der archaischen Tätowierung in seinem Nacken gekommen war. Dass er geglaubt hatte, einen Nebel aus seinem Körper aufsteigen und durch das Fenster entschwinden zu sehen, behielt er allerdings für sich. Als er vom Ende des Rituals erzählte und davon, dass Frank den Indianer fortgeschickt hatte, ehe er ihnen sagen konnte, wie sie die Verbindung zu nutzen hatte, schnappte Lombardi nach Luft.
»Warum sollte Cassell das tun? Er glaubt daran, zieht es aber nicht bis zum Schluss durch. Das ist doch idiotisch.«
»Glauben Sie mir, er hatte durchaus vor, die Sache durchzuziehen – allerdings auf eine etwas andere Art, als das Ritual es vorsieht.« Chase dachte an den Wahnsinn in Franks Augen und an die Kälte, die ihn bei jedem Wort, jedem Blick und jeder Bewegung umgeben hatte. »Frank hat seine eigenen Nachforschungen angestellt und herausgefunden, dass es einen einfacheren Weg gibt, den Killer zur Strecke zu bringen, als über diese angebliche Verbindung nach ihm zu suchen.«
»Ach ja? Und wie sieht dieser Weg aus?«
»Stirbt ein Teil der Verbindung, dann ist es auch das Ende des anderen Teils.«
Einen Moment lang sagte sie nichts, schien nur über seine Worte nachzudenken, dann fuhr sie auf. »Das ist nicht Ihr Ernst! Er hat versucht Sie umzubringen, weil er denkt, dass dann auch der Schlitzer stirbt? Wegen eines dämlichen Tattoos?«
»Frank glaubt daran.«
»Wie sind Sie ihm entkommen?«
»Der Indianer kam zurück.«
Lombardi strich sich mit dem Finger über die Unterlippe, eine nachdenkliche Geste, ihr Blick war irgendwo ins Nichts gerichtet. »Warum haben Sie nicht die Polizei verständigt?«
»Das habe ich.« Obwohl erst ein paar Stunden vergangen waren, konnte er sich nur lückenhaft erinnern, wie er aus der Wohnung entkommen war. Sein Gespräch mit
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