Dämonisches Tattoo
Frau den Kopf. Blut lief über ihre Lippen und tropfte auf die Fliesen. Ihr Nachthemd war blutgetränkt. Sie hatte einen Teil der Fäden mit der Rasierklinge durchtrennt. In ihrer Lippe klaffte ein tiefer Schnitt, vermutlich waren ihre zitternden Hände abgerutscht. Kate wusste nicht, ob es der Schlag auf den Kopf oder der Anblick des geschundenen Gesichts war, plötzlich wurde ihr schwindlig und sie musste sich abstützen.
»Du musst dich hinlegen«, sagte Chase leise.
Sie schüttelte den Kopf, sehr vorsichtig, um den Gnom mit dem Vorschlaghammer nicht noch weiter herauszufordern.
Chase schob sie zur Badewanne und half ihr, sich auf den Rand zu setzen. »Warte hier.« An die Frau gewandt sagte er: »Ich rufe jetzt den Notarzt. Halten Sie so still wie möglich, okay?«
Dann verschwand er aus dem Bad. Kate hörte ihn am Telefon und lauschte dem beruhigenden Klang seiner Stimme, zu leise, als dass sie die Worte hätte verstehen können. Als er zurückkehrte, griff er nach Kates Hand und half ihr auf die Beine.
»Hilfe ist unterwegs«, sagte er an die Frau gewandt. »Halten Sie nur noch ein paar Minuten durch. Wir gehen nach unten, um den Notarzt hereinzulassen. In Ordnung?«
Die Antwort bestand aus einem schwachen Nicken.
Auf dem Weg nach unten klammerte sich Kate ans Treppengeländer. Erst als sie vor die Tür traten und ihr die kühle Nachtluft ins Gesicht schlug, klärte sich ihr Kopf und ihre Schritte wurden sicherer.
»Wir warten nicht wirklich, oder?«
Chase schüttelte den Kopf. »Die Notärzte werden die Polizei rufen und die würden uns einbuchten. Von jetzt an kommt sie ohne uns zurecht. Ich glaube nicht, dass er zurückkommen wird.«
Er legte einen Stein in den Spalt, damit die Haustür nicht zufallen konnte, dann gingen sie zum Wagen und fuhren nach Cheverly zurück. Diesmal bestand Kate nicht darauf, zu fahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie den SUV in den Graben setzte, erschien ihr größer als die Möglichkeit, dass Chase ausgerechnet jetzt eine seiner Visionen hatte.
Die Fahrt über sagte keiner von ihnen ein Wort. Kate starrte aus dem Fenster, ohne mehr von der Umgebung wahrzunehmen als das Einerlei schnell vorbeiziehender Häuserreihen und Vorgärten. Zurück im Haus ging sie sofort in Richtung Schlafzimmer. Sie musste allein sein, musste mit dem fertig werden, was geschehen war, was sie in den letzten beiden Stunden gesehen und erlebt hatte. Das konnte sie nicht, wenn er bei ihr war.
Auf der Schwelle hielt sie kurz inne. »Ich bin erledigt«, sagte sie. »Ich muss ins Bett. Gute Nacht.« Sie schloss die Tür hinter sich, ehe Chase Gelegenheit fand, etwas zu erwidern.
Sie bewegte sich wie eine Schlafwandlerin. Alles lief vollkommen automatisiert ab, ohne dass sie darüber nachdenken musste, und das war gut so, denn wenn sie eines im Augenblick vermeiden wollte, dann war es, zu denken. Ganz gleich woran. Sie wollte, dass ihr Kopf vollkommen frei war, frei von den Bildern und Erinnerungen an die letzten Stunden, frei von all diesen »Was wäre, wenn«-Fragen, die ihr seitdem durch den Kopf schwirrten. Was wäre, wenn Chase nicht rechtzeitig zurückgekehrt wäre, war nur eine davon.
Sie putzte sich die Zähne, sehr vorsichtig, trotzdem sparte sie den größten Teil der linken Seite lieber aus, und zog sich um. Statt des Big-Shirts streifte sie eine Trainingshose und ein Baumwollshirt über. Sie brauchte die Wärme des Stoffs, die ihr ein Gefühl von Sicherheit vermittelte, so dringend wie die Luft zum Atmen. Sobald sie im Bad fertig war, kehrte sie ins Schlafzimmer zurück, wo Chase sie erwartete.
»Ich wollte nur sehen, ob es dir gut geht.« Es klang beinahe entschuldigend und seine Sorge hatte etwas Rührendes an sich, trotzdem ertrug sie seine Nähe im Moment nicht. Sie wollte ihm versichern, dass alles in Ordnung war und dass er sie jetzt allein lassen konnte, als ihr schlagartig speiübel wurde. Sie rannte ins Bad zurück. Vor der Kloschüssel fiel sie auf die Knie und schaffte es gerade noch, sich nach vorn zu beugen, bevor sich ihr Innerstes nach außen stülpte. Sie spürte Chase mehr, als dass sie ihn sah. Er trat hinter sie und hielt ihr die Haare aus dem Gesicht, während sie erst ihr Mittagessen und später nur noch bittere Galle erbrach. Keuchend und würgend kauerte sie über dem Klo. Immer wieder zogen sich ihre Eingeweide in einem weiteren Würgereiz zusammen, bis nichts mehr in ihr war und sie kraftlos auf die Fliesen sank. Ein kalter Schweißfilm lag über ihrer Stirn
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