Dämonisches Tattoo
und ihrem Nacken. Der bittere Geschmack von Erbrochenem hatte sich in ihrem Mund ausgebreitet und stieg ihr mit jedem Atemzug in die Nase. Als sie aufzustehen versuchte, fasste Chase ihr unter die Arme und stellte sie auf die Beine. Wankend ging sie auf das Waschbecken zu. Im Spiegel sah sie ihn, ganz nah bei sich. So dicht, dass sie sich beinahe berührten. Sein Blick war auf sie gerichtet, die Augenbrauen in tiefer Sorge zusammengezogen. Er wich kein Stück zur Seite und schien bereit, jederzeit nach ihr zu greifen, sollte sie auch nur ins Taumeln geraten. Kate drehte den Hahn auf und hielt den Mund unter den Wasserstrahl. Lange ließ sie das Wasser laufen, füllte ihren Mund, verteilte es darin, spuckte es wieder aus und begann die Prozedur von vorn. Erst als auch der letzte Hauch von Erbrochenem von ihrer Zunge verschwunden war, richtete sie sich auf und wusch sich das Gesicht, wobei sie es vermied, ihr eigenes Spiegelbild anzusehen, das ihr hohläugig und fahl wie der Mond entgegenglotzte.
Als sie sich endlich sauber genug fühlte, war sie vollkommen erschöpft.
Chase musterte sie lange und eingehend, dann schüttelte er den Kopf. »Das reicht«, sagte er entschieden.
Kate starrte ihn an. Sie verstand nicht, was er meinte. Scheiße, sie hatte ja schon Schwierigkeiten, bei all dem Durcheinander, das in ihrem Kopf herrschte, überhaupt seine Worte zu verstehen. Aber deren Sinn entzog sich ihr vollständig.
»Ich bringe dich in ein Krankenhaus.«
Das
hatte sie verstanden. Ebenso wie die Konsequenzen, die das für ihn nach sich ziehen würde. »Das kommt überhaupt nicht infrage.« Obwohl die Schwellung es ihr immer noch schwer machte, deutlich zu sprechen, legte sie alle Entschlossenheit, die sie aufbringen konnte, in ihre Worte.
Wieder sah er sie lange an. Schließlich hob er die Hand und legte sie auf ihre unversehrte Wange, eine zärtliche Berührung voller …
voller was?,
fragte sie sich.
Liebe?
Das war das Wort, das ihr als Erstes in den Sinn kam, doch es waren wohl eher Sorge und Mitgefühl, die sein Handeln prägten.
»Das ist es nicht wert«, sagte er ernst. »Ich wollte nie, dass du verletzt wirst, und ich werde dein Leben nicht für meine verdammte Jagd aufs Spiel setzen.«
»Und ich werde nicht zulassen, dass du eine Dummheit begehst.«
»Kate«, mahnte er. »Wenn du eine Gehirnerschütterung hast …«
»Ich glaube nicht, dass ich eine habe. Es …« Nur mit Mühe gelang es ihr, die Bilder des hinter ihnen liegenden Abends zurückzudrängen, bevor sie sie überrollen und eine weitere Welle der Übelkeit in ihr auslösen konnten. »Es war einfach alles ein bisschen viel.« Sie dachte einen Moment nach. »Lass uns einen Deal machen: Wir warten bis morgen. Wenn es mir besser geht, will ich das böse K-Wort nicht mehr hören. Fühle ich mich schlechter, werde ich mich in ein Taxi setzen und in die nächste Notaufnahme fahren. Allein. Dich will ich nicht einmal ansatzweise in der Nähe haben.« Auf diese Weise musste er nicht riskieren, erkannt und verhaftet zu werden.
Sein Blick ruhte noch immer auf ihr und er sah ihr so tief in die Augen, dass sie glaubte, er könnte bis in ihre Gedanken blicken. »Du bist wirklich bemerkenswert, weißt du das?« Dann fügte er hinzu: »Und vollkommen anders, als ich erwartet habe.«
»Tut mir leid, wenn ich eine Enttäuschung bin.« Ihr Sarkasmus, so hoffte sie, würde ihn davon überzeugen, dass sie in Ordnung war. Ob er es ihr abnahm, konnte sie nicht sagen, doch ihre Worte bewirkten etwas anderes. Plötzlich zog er sie an sich und einen Atemzug später waren seine Lippen auf ihren, weich und warm und so voller Zärtlichkeit, dass ihr sofort wieder schwindlig wurde, auch wenn es dieses Mal nichts mit dem Schlag auf den Kopf zu tun hatte. Dieser Schlag ging tiefer. Die sanfte Berührung seiner Lippen brach ihren Widerstand, und als seine Zunge über ihren Mundwinkel glitt, ließ sie ihn ein. Sie wollte das nicht, versuchte sie sich selbst zu erinnern.
Er wird dir das Herz brechen, du dumme Kuh. Lass das nicht zu!
Doch sie konnte sich seiner Wärme und ihrer eigenen Sehnsucht, die sie seit Tagen zu verdrängen versuchte, nicht länger entziehen. Sie ließ sich fallen und ergab sich dem Spiel seiner Zunge in einem leidenschaftlichen Kuss – bis er versehentlich ihre Wange berührte und sie mit einem schmerzvollen Stöhnen zurückfuhr. Sofort entschuldigte er sich wortreich, doch Kate hörte kaum hin. Ihre Lippen prickelten dort, wo er sie eben noch mit den
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