Dämonisches Tattoo
der Deckenlampe auf ihre Netzhaut traf. Sie mochte nicht mehr als einen Umriss erkennen, doch das genügte. Mit einem zornigen Schrei holte sie aus und trat nach ihrem Peiniger. Sie traf ihn an der Brust. Grimmige Zufriedenheit strömte mit ihrem Blut durch die Adern, als sie sah, wie er zurückgeschleudert wurde. Kate war nicht so dumm zu warten, bis er sich wieder fing. Sie rollte sich herum und bekam die Taschenlampe zu fassen, die ihr bei ihrem Sturz aus der Hand gefallen war. Ihre Finger schlossen sich darum. Der Kerl rief etwas, doch das Blut rauschte so heftig in ihren Ohren, dass sie nicht mehr als ein undeutliches Raunen hörte.
Dann war er über ihr. Er setzte sich auf ihren Rücken und hielt ihre Arme fest. Kate schlug um sich und versuchte sich loszureißen, doch er hatte sie so auf dem Boden festgenagelt, dass sie sich kaum noch bewegen konnte. Jeden Moment würde ihr der süßliche Geruch von Chloroform in die Nase steigen oder sie den Stich einer Nadel in ihrem Hals spüren.
»Kate!«
»Chase?« Schlagartig gab sie alle Gegenwehr auf und schloss erleichtert die Augen, riss sie jedoch sofort wieder auf. »Wo ist er?«
»Es ist alles in Ordnung, er ist fort«, sagte er leise. »Hab keine Angst.«
Angst?! Sie war fast verrückt geworden vor Panik und hatte geglaubt, ihr Leben wäre vorbei! Es würde ein paar Minuten dauern, ehe sie den Schalter von nackter Panik wieder auf Normalbetrieb umlegen konnte. Oder ein paar Jahre. Wieder ein Thema mehr für ihre zukünftigen Therapiesitzungen.
Sein Gewicht verschwand von ihrem Rücken, dann kniete er neben ihr und half ihr sich aufzusetzen. Schon vor Tagen war ihr aufgefallen, wie gut er aussah, doch sein Anblick war noch nie so fantastisch gewesen wie in diesem Moment, dem richtigen Moment, dem, in dem er ihr mit seinem Auftauchen das Leben gerettet hatte. Regenwasser tropfte ihm aus den Haaren und lief über sein Gesicht, seine Klamotten waren nass und er erinnerte ein wenig an eine Ratte, die ins Klo gefallen war. Trotzdem hatte sie sich niemals mehr gefreut, ihn zu sehen. Sein Timing war einfach perfekt – auch wenn er durchaus ein paar Minuten früher hätte zurückkehren können.
Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Unterschrank und konzentrierte sich auf ihren Atem. Allmählich beruhigte sie sich tatsächlich ein wenig. Der Schrecken wich und machte dem Schmerz Platz, der wie ein irrer Gnom in ihrem Kopf saß und bei jeder Bewegung mit einem Vorschlaghammer gegen ihre Schläfen drosch, bis sie glaubte, ihr würde der Kopf platzen.
Chase kniete noch immer vor ihr und musterte sie besorgt. Er legte zwei Finger unter ihr Kinn und drehte ihren Kopf zur Seite, um sich ihre Wange anzusehen. Als sich zu seinen Blicken auch noch seine Finger gesellten, wurde es unangenehm.
»Au! Lass das!«
»Er hat dir ein Marmeladenglas übergezogen«, erklärte er, ohne seine Untersuchung zu unterbrechen. »Keine Platzwunde, aber eine ordentliche Schwellung.«
Tatsächlich war der Boden mit klebrig aussehendem Zeug überzogen, aus dem Scherben wie durchsichtige Stacheln emporragten. Ein verschmiertes Schild deklarierte die Sauerei als Aprikosenmarmelade.
Chase ging zum Kühlschrank. Kate beobachtete, wie er einen Kühlakku aus dem Gefrierfach holte, ihn in ein Geschirrtuch wickelte und es ihr vorsichtig gegen die Wange drückte. Es tat weh – zumindest so lange, bis die Kälte unter ihre Haut kroch und den Schmerz so weit betäubte, dass sie nur noch den Druck der Schwellung spürte.
»Was ist passiert?« Ihre Worte klangen eigenartig undeutlich in ihren Ohren. Sie konnte nur hoffen, dass die Schwellung nicht noch schlimmer wurde und das Nuscheln schnell verging.
Chase antwortete nicht sofort. Sein Blick wanderte noch immer über ihr Gesicht, als wolle er sichergehen, dass er keine Verletzungen übersehen hatte. Schließlich schien er halbwegs beruhigt zu sein.
»Ich konnte ihn draußen nicht finden«, erklärte er. »Als ich auf dem Rückweg zum Haus war, sah ich ihn. Er rannte vom Grundstück die Straße hinauf.«
»Hast du ihn erwischt?«
Er schüttelte den Kopf.
»War er so schnell?«
Wieder ein Kopfschütteln.
»Was dann?«
»Ich wusste nicht, was hier passiert war. Wenn er dir …«
Ein Teil von ihr war entsetzt, dass er den Schlitzer ihretwegen hatte entkommen lassen, während ein anderer Teil erleichtert war, dass Chase ihr Wohlergehen an erste Stelle gesetzt hatte.
Er schwieg einen Moment, dann sagte er: »Es tut mir leid, Kate.«
»Das
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