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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schleich
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Masse draußen im »normalen« Zelt in das durch massive Holzbarrieren abgetrennte Paralleluniversum zu lassen. Manchmal kommt ein freundlicher Wirt an den Tisch und überrascht besondere Gäste mit einem von ihm selbst liebevoll gegrillten Rindersteak. Das hat dann Stil, das hat Klasse, und das schmeckt – und es versöhnt einen kurzzeitig sogar mit der Zwei-Klassen-Wiesn, der Schere zwischen Wiesn-Privilegierten und sich bis zur Besinnungslosigkeit zusaufendem Party-Volk, die sich in den letzten zehn Jahren immer weiter geöffnet hat.
    So weit, so gut. Eigentlich spräche nichts dagegen, den ganzen Abend hier zu sitzen wie in jeder anderen Wirtschaft und sich mit den netten Menschen zu unterhalten, die einen in diese mit viel Geld erkaufte private Oktoberfestwelt eingeladen haben. Zwar fragt man sich mit einer gewissen Berechtigung, warum man dann nicht gleich in eine andere Wirtschaft gegangen ist, in der man zudem das Bier in Halbe-Gläsern serviert bekäme und somit nicht zwangsweise zum Rausch verdammt wäre – aber was soll’s?
    Das Problem ist nämlich ein anderes: Auch die besten Security-Cracks der Welt schaffen es bisher nicht, Schallwellen an ihrer Ausbreitung zu hindern. Und wenn dann im Zelt proportional zum Alkoholpegel der Lärmpegel der Musik steigt und man sich mit seinen Tischnachbarn nur noch durch lautes Brüllen direkt ins Ohr und schließlich überhaupt nicht mehr unterhalten kann, ist man irgendwann einmal dazu verurteilt, wie der sprichwörtliche Münchner Grantler in sein von Minute zu Minute lacker werdendes Bier zu starren, während einem eine infernalisch verstärkte Stimmungskapelle einen Ballermann-Hit nach dem anderen durch die Ohren ins Hirn drückt. So stellt man sich die Hölle vor, würde man gerne zu jemandem sagen, aber weil das nicht geht, fragt man sich zum x-ten Mal selbst, was rheinische Sauflieder wie »Viva Colonia« in einem Münchner Bierzelt zu suchen haben. Aufstehen und gehen kann man nicht, um seinen Gastgeber nicht zu brüskieren, und so schaut man verstohlen auf die Uhr und dankt seinem Herrgott und einem regelwütigen Stadtrat, dass diesen Musikmonstern um halb elf ohne Wenn und Aber der Saft abgedreht wird. Noch zwei Stunden, noch eineinhalb, noch eine … unglaublich, wie langsam die Zeit vergeht, wenn einen drei Liter Bier nicht in eine hirnamputierte Grölmaschine verwandeln, die, mehr oder weniger wackelig auf einer Bierbank stehend und ohne sich auch nur im Geringsten zu schämen, bei »Heit is so a scheener Dog« ein von rhythmisch nach oben geschleuderten Zeigefingern begleitetes »La-la-la-la-la« hinausbrüllt.

Zwischenstopp Kabarett:
    Wegen Reichtum geschlossen
    (Wir sehen ein fast leeres Wiesnzelt, nur ganz vereinzelte Trinker im Hintergrund, keine Musik, kein Personal.)
    Der Wirt: Also heuer bin ich sehr zufrieden! Muaß ich wirklich sagen.
    Schaun S’, jetzt is Samstagabend, halb sechs, und es san do
    (zählt durch)
    eins, zwei, drei … sieben Leit! Halt, acht!
    Oana is grad beim Bieseln, drüben beim Paulaner. Weil des tu ich mir nicht mehr an! Toiletten. Zwanzig Jahre hab ich Toiletten gehabt im Zelt! Zwanzig Jahre! Dieser Zirkus!
    Guad, da hab ich natürlich auch noch mehr Leute gehabt im Zelt …
    (Schnitt auf den Schankbereich.
    Der Wirt schenkt eine Mass aus zwei Aldi-Plastikflaschen mit Drehverschluss zusammen. Dann wirft er die Flaschen hinter sich.)
    Fünf Schankkellner allein! Und da säuft ja jeder für sich mehr wie heute meine ganzen Gäste miteinander.
    Und dann natürlich Bier vom Fass! Von der Brauerei, zum Apothekenpreis. Daweil tut’s des hier doch auch. Da kann mir keiner erzählen, dass er da groß an Unterschied merkt. Ich sag immer, bieseln tut’s sich gleich gut, Hahaha!
    (Schnitt an den Biertisch, ein japanischer Gast sitzt allein da.)
    So, jetza. Da schaun S’ her. Sechsundachtzig siebzig, bittschön, der Herr.
    Gast: Hääh?
    Wirt: Eighty-six seventy, please!
    Gast: Ah. Ninety.
    Wirt: Sag ich dank’ schön.
    (Geht weg.)
    Wirt: So ein g’nickerter Hund! Der hätt jetzt hundert auch sagen können!
    Is aber koa Wunder bei dem G’schwerl, des heut auf d’Wiesn kommt. Bei mir geht’s ja noch.
    Aber was meinen S’, was in die anderen Zelte los is. Grad am Samstag! Aber da brauchen sich meine Kollegen auch nicht wundern, wenn s’ a halbes Hendl für 13 Euro verkaufen. Da ziehst du natürlich die Grattler an, mit solche Dumpingpreise.
    Ich hab’s doch selber erlebt, letztes Jahr: a halbe Ente – Mittagsschlager –

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